*Hermann Büttiker, Römerswil
Im Jahre 1906 baute in Nunwil eine Genossenschaft ein Elektrizitätswerk und versorgte Nunwil mit Lichtstrom. Hauptinitiant für das kleine Kraftwerk und die Wasserversorgung war Josef Schwander, Ex-Polizist von Rothenburg. Schwander war ein pfiffiger Kopf, heisst es in der Chronik «1100 Jahre Nunwil» von Edi Estermann. Er war Pächter der Liegenschaft und des Wirtshauses «St. Peter und Paul». Ein Zeitzeuge ist der Weiher im Räckholdere-Tobel. Von dort bezog das Kraftwerklein die Energie. Der Weiher regelte den Wasserhaushalt und erzeugte den Druck. Später diente er den Nunwilern als Feuerweiher.
Doch das Elektrizitätswerk war zu wenig leistungsfähig, wie damals die meisten kleinen Werke. Insbesondere reichte es nicht, um Kraftstrom zu erzeugen. So kam das Unternehmen im Jahre 1918 zur Liquidation, und aus war der Traum vom eigenen Strom.
Konzession bei den Gemeinden
Das eidgenössische Elektrizitätsgesetz aus dem Jahre 1902 ermächtigte die Gemeinden, die Elektrizitätsversorgung selbst an die Hand zu nehmen oder aber die entsprechende Konzession an Dritte abzugeben. Im Jahre 1912 bewarben sich die Elektrizitätswerke Rathausen (heute Centralschweizerische Kraftwerke CKW) und die Burg AG um eine Konzession für die Gemeinde Römerswil. Die Strompreise beider Werke waren ungefähr die gleichen. Beide Konkurrenten versprachen kostenlosen Anschluss sämtlicher Gehöfte der Gemeinde. Römerswil neigte zu Rathausen, und die Bürgerversammlung beauftragte die Herren Amtsgerichtspräsident Josef Leisibach, Gemeindeammann Xaver Galliker und Wirt Franz Josef Stocker, die Verhandlungen mit der CKW fortzusetzen und definitive Verträge abzuschliessen. Die Verträge wurden abgefasst und von den Vertretern der Gemeinde Römerswil sowie der CKW unter Genehmigungsvorbehalt des Verwaltungsrates
unterzeichnet.
Nun gab es eine Wende. Der Verwaltungsrat der CKW genehmigte den mit Römerswil abgeschlossenen Konzessionsvertrag nicht. Der Ausbau der ganzen Gemeinde sei unwirtschaftlich. Nach der Rentabilitätsberechnung der CKW hätte Römerswil an die Leitungsbaukosten einen Beitrag von über 38’000 Franken leisten müssen. Einzig das Dorf und der Dorfrayon wären ohne Beitrag ausgebaut worden.
Was nun? Die Vertreter von Römerswil wurden kritisiert, auch von jenen, die glaubten, es sei bis jetzt noch immer ohne elektrische Energie gegangen. Nun reklamierte Jakob Ottiger, Inhaber der Mosterei im Niffel, er sei gezwungen, mit Hochdorf zu verhandeln, wenn in Sachen Stromversorgung nichts geschehe.
Eine Elektrizitätsgenossenschaft wird gegründet
Man studierte nun den genossenschaftlichen Betrieb und holte Informationen im Freiamt ein. Von den CKW wurden Stromlieferungsverträge angefordert, und es wurden Offerten für Leitungs-, Transformatorenbau und Installationen eingeholt. Am Josefstag 1914 fand eine Orientierungsversammlung statt. Die Verantwortlichen wurden beauftragt, Statuten zu erarbeiten und die Verträge zu bereinigen. An der Versammlung vom 7. Juni 1914 unterzeichneten 40 Liegenschaftsbesitzer die Statuten. Die Elektrizitätsgenossenschaft war gegründet. In den Vorstand wurden gewählt: Xaver Galliker als Präsident, Josef Scherer, Melchior Brunner, Jakob Elmiger und Jakob Ottiger.
Bereits am 14. Juni kamen die Vertragsabschlüsse zustande. Die CKW waren verantwortlich als Stromlieferant, die Firma Baumann-Kölliker in Zürich für den Bau des Sekundärnetzes und der Transformer, die Bauunternehmer Schnieper in Sempach und Müller in Neudorf für den Bau der Transformerstationen, Landis & Gyr als Zählerlieferant und die Firma Staub & Kreis in Zug für die Hausinstallationen und Motoren. Noch just vor der Kriegsmobilmachung im August wurden die Masten, Kupferdrähte und Isolatoren angeliefert, sodass unverzüglich mit dem Bau des Sekundärnetzes begonnen werden konnte. «Wenn man auch da und dort nicht zu haben war für Installationen und glaubte, man käme immer noch dazu, so haben dann die Verhältnisse fördernd mitgespielt; es kam nämlich im September 1914 die grosse Petroleumnot. Soweit das Sekundärnetz fertig war, wurden die Gebäude-Anschlüsse hergestellt und provisorisch Licht gemacht», schreibt der Chronist. Die Installationen dauerten bis ins Frühjahr 1915 hinein.
Der Strompreis wurde bei 50 Rappen pro kWh Lichtstrom und bei 25 Rappen für Bügeleisen- und Kraftstrom festgelegt. 1918 fand eine Preisreduktion statt, nämlich auf 40 Rappen pro kWh Licht- und auf 20 Rappen Kraftstrom. (Heute beziffert sich der Strompreis für Haushaltungen bei Tagstrom auf 24 Rappen, bei Nachtstrom 11.5 Rappen — Anmerkung des Verfassers).
Im Jahre 1918 wurden Neuhus, Nunwil, Acher, Brandhalden, Tempiken, Unter-Eigen, Kleinfeld, Erbsrüti, Reinacher und Reckholdern ans bestehende Netz angeschlossen. Inzwischen war der Kupferpreis von Fr. 1.84 pro Kilo auf Fr. 8.86 gestiegen. Die Installationskosten beliefen sich von 1914 bis 1918 auf das Vierfache.
Kontinuierliche Entwicklung
Strom, einmal vorhanden, war nun nicht mehr wegzudenken. Diese unsichtbare, aber omnipräsente Energie ermöglichte die Entwicklung und den Einsatz von Maschinen, die der Hände Arbeit übernahmen. Sie spendete Licht und Wärme und machte das Leben komfortabler. Ohne die elektrische Energie wäre der Schritt in die Moderne nicht möglich gewesen. Dem ständig steigenden Verbrauch hatte sich die Infrastruktur der Elektrizitätsgenossenschaft anzupassen. Sie tat dies in grosser Verantwortung. Zum 70-jährigen Bestehen schrieb der damalige Präsident, Anton Erni: «Dass der Gedanke der Eigenversorgung vor 70 Jahren Tatsache geworden ist, verdanken wir einem kleinen Kreis mutiger Männer unserer Gemeinde. Ihr damals mit Wagemut, Initiative und Uneigennützigkeit geschaffenes Werk hat die schwierige Gründungszeit, die Erschwernisse zweier Weltkriege und einer Weltwirtschaftskrise unbeschadet überstanden und die gegen Ende der Fünfzigerjahre einsetzende, gewaltige Steigerung des Verbrauches elektrischer Energie in Landwirtschaft, Gewerbe, Industrie und Haushalt durch guten Unterhalt und steten Ausbau der Verteilanlagen sichergestellt.»
Und heute?
Die Elektra — Elektrizitätsgenossenschaft Römerswil hat bis heute ihre Selbstständigkeit bewahrt. Das neue Stromversorgungsgesetz, das seit dem 1. Januar 2008 in Kraft ist, hat die Situation verändert. Der Strommarkt wird stufenweise liberalisiert. Der Endverbraucher kann bestimmen, welchen Strom er beziehen will. Jeder Stromproduzent darf die Durchleitung von Strom benützen. Die Elektra Römerswil steht damit vor ihrer grössten Herausforderung seit der Gründung. An der Generalversammlung 2006 wurde das Projekt «FUTURA» beschlossen. Es hat zum Ziel, alle Aspekte eines künftigen Alleingangs der Elektra, einer Kooperation oder einer Fusion mit anderen Unternehmungen zu prüfen. Die Entscheidung über die Zukunft der Elektrizitätsgenossenschaft Römerswil wird an der ausserordentlichen Generalversammlung im Oktober 2008 gefällt.
*Hermann Büttiker (1936–2014) stammte aus Pfaffnau, war Polizist in Hochdorf und ab 1. Juli Amtstatthalter (heute: Staatsanwalt) daselbst bis zu seiner Pensionierung 2001. Hermann Büttiker war viele Jahre auch sonst in der Öffentlichkeit tätig. Politisch in der CVP, als Korrespondent für das «Vaterland» und andere Zeitungen, als Zentralpräsident des damaligen Schweizerischen Katholischen Turn- und Sportvereins (SKTSV, heute Sport Union Schweiz). Er lebte mit seiner Familie erst in Hochdorf, später in Römerswil.
Nachtrag – aus der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 24. Oktober 2008:
Römerswil: Die CKW übernimmt Stromversorgung
Die Centralschweizerischen Kraftwerke AG (CKW) übernehmen auf Anfang 2009 die Stromversorgung von Römerswil. Die als Genossenschaft organisierte Elektra Römerswil existiert seit 1914 und versorgt rund 600 Kunden mit Strom. Für die Elektra Römerswil wird es gemäss einer Mitteilung vom Freitag (24. Oktober 2008) wegen den steigenden regulatorischen Anforderungen immer schwieriger, eine kostengünstige Stromversorgung sicherzustellen. Die Übernahme muss noch von den Genossenschaftern der Elektra und dem Verwaltungsrat der CKW genehmigt werden.