Der Haslihof der Familie Frischkopf-Müller, gemalt von Ludwig Suter im Jahr 2014. | © Seetaler Brattig

*Jost Peyer, Meggen

Was lösen Grossprojekte, wie beispielsweise der Bau eines Stausees, einer Autobahn oder einer Atomanlage bei Betroffenen aus? Notwendigkeit? Albtraum? Oder Traum? Erbitterter Widerstand oder Glaube an Zukunftsvision? Wie wars beim Projekt zum Bau des Emmer Flugplatzes in den 1930er-Jahren? Gab es damals auch begeisterte Befürworter und leidenschaftliche Gegner?

Die weite Ebene, das Emmerfeld, war schon Ende der 1920er-Jahre erstmals als mögliches Flugfeld in Diskussion. Die Stadt Luzern hatte Pläne, auf dem Haslifeld einen zivilen Flugplatz zu errichten, denn die Fliegerei nahm bereits in diesen Jahren eine rasante Entwicklung und vermochte viele zu faszinieren. Luzern liess jedoch das Projekt mangels Geld fallen, denn die Landbesitzer verlangten in den Vorverhandlungen einen deutlich über dem Katasterwert liegenden Preis. 1934 griff die Sektion Luzern des Aero-Clubs das Projekt wieder auf. Der Emmer Gemeinderat, allen voran Gemeindeammann Xaver Brunner, sah im Bau eines Flugplatzes eine grosse Chance für die künftige Entwicklung der Gemeinde Emmen. Doch auch dem Aero-Club fehlten die notwendigen finanziellen Mittel.

Nachdem mit der Abwertung des Frankens im Jahr 1936 die Schweiz den Tiefpunkt der wirtschaftlichen Krise überwunden hatte, schöpfte man neue Hoffnung für den Luzerner Tourismus. Der Bau eines Flugplatzes hätte den Aufschwung nur fördern können. Über dem wirtschaftlichen Aufbruch schwebte aber bereits die Angst vor einem neuen Krieg, der sich in Europa mit dem Aufstieg verschiedener Diktaturen abzeichnete. Neben militärischen Vorbereitungen befasste man sich auch mit der zivilen Landesverteidigung. Örtliche Luftschutzgruppen wurden aufgebaut und erste Verdunkelungsübungen durchgeführt. So auch in Emmen. Eine zentrale Frage war auch, wie man die Landesversorgung, die Ernährung, sicherstellen kann.

So zeigte sich das Emmerfeld im Jahre 1934. | Bild: Schweizer Luftwaffe

Ende 1936 bekundete das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) Interesse am Bau eines Flugplatzes auf dem Emmerfeld. Der Bund verfügte über genügend finanzielle Mittel, denn die Wehranleihe von 1935 war vierfach überzeichnet worden. Der Gemeinderat Emmen war sich einig, dass der Bau eines Flugplatzes aus wirtschaftlichen Gründen und insbesondere als Massnahme zur Arbeitsbeschaffung absolut wünschenswert sei. Im Frühjahr 1937 informierte Gemeindeammann Brunner erstmals öffentlich über die Flugplatzplanung. Doch schon bald regte sich Opposition. Nicht alle Landbesitzer waren bereit, ihr Grundeigentum an das EMD zu verkaufen. Zwei Welten prallten aufeinander. Eine bäuerlich konservative Strömung reklamierte den Verlust wertvollen Kulturlandes. Sie wollte nicht verstehen, dass sich der Bund am Raubbau des Bauernstandes beteilige und so die geistige Landesverteidigung untergrabe. Die Befürworter sahen in einem Emmer Flugplatz den Fortschritt an sich, Wirtschaftsförderung und Arbeitsbeschaffung. Im Verlaufe des Jahres 1937 spitzte sich der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern des Flugplatzes zu. In der Presse, im konservativen «Vaterland» und in Protestschreiben verschafften sich die Gegner Luft, was die Befürworter zu Gegenreaktionen im liberalen «Tagblatt» veranlasste.

Im Januar 1938 berief der Gemeinderat dann eine öffentliche Orientierungsversammlung ein. Rund 750 Personen, darunter auch Frauen, fanden sich in der Turnhalle des Krauer-Schulhauses ein. Gegen Mitternacht wurde nach reger Diskussion eine Resolution mit grossem Mehr genehmigt, die sich für den Bau eines Militärflugplatzes aussprach. Mit dieser öffentlichen Zustimmung der Bevölkerung hatte der Gemeinderat die lokalpolitische Schlacht um den Flugplatz gewonnen.

Doch der Kampf der Konservativen war noch nicht zu Ende. Von 14 Landwirten stimmten 11 einem Verkauf ihrer Liegenschaft zu, 3 waren nicht bereit, darunter einer der Sprecher der Gegnerschaft, Franz Helfenstein, Besitzer des Meier-Hofes und Franz Ruckli, Feldhüsli, der beim EMD Einspruch erhob. Der damalige Vorsteher des EMD, Bundesrat Rudolf Minger, lud schliesslich anfangs März 1938 alle Beteiligten und Betroffenen zu einer Konferenz in den «Wilden Mann» nach Luzern ein, um die aufgewühlte Stimmung beruhigen zu können. Die Gegnerschaft schlug alternative Standorte für einen Flugplatz vor wie den Emmer Schiltwald, den Inwiler Schachen, ein Sumpfgebiet in Rotkreuz oder die Hochebene von Müswangen. Doch diese Vorschläge hielten einer Expertise aus verschiedenen Gründen nicht stand.

In einem längeren Schreiben vom 30. März 1938 an den Regierungsrat des Kantons Luzern, der ebenfalls grosse Bedenken zum Bau eines Flugplatzes in Emmen äusserte, hielt der Bundesrat fest, dass der Platz Emmen aus militärtechnischen, finanziellen und Dringlichkeitsgründen gewählt werden müsse. Grössere Gefahrenmomente bei einem kriegerischen Ereignis wurden weder für Luzern noch für Emmenbrücke, weder für Industrieanlagen noch für Spitäler befürchtet. Das Militärdepartement schrieb: «Die Verwirklichung des Flugplatzprojektes Emmen wird dem Kanton Luzern, der Stadt Luzern und der Gemeinde Emmen zweifelsohne zum Vorteil gereichen. Für den Kanton und die Gemeinde Emmen bringt das Vorhaben eine willkommene Arbeitsbeschaffung sowie eine Belebung von Handel und Gewerbe, der Stadt Luzern insbesondere wird damit die Möglichkeit gegeben, sich den Anschluss an den nationalen und internationalen Flugverkehr zu sichern.» Deshalb schien es dem EMD angezeigt, dass sich der Kanton Luzern mit 200‘000 Franken, die Stadt Luzern mit 550‘000 Franken und die Gemeinde Emmen ebenfalls mit 200‘000 Franken am Bau des Flugplatzes beteiligen. Emmen stimmte diesem Begehren in Eile mit grossem Mehr zu, während die Stadt und der Kanton Luzern eine Kostenbeteiligung ablehnten. So war klar, dass in Emmen ein reiner Militärflugplatz realisiert wird. Der definitive Entscheid des Bundesrates zur Verwirklichung des Flugplatzes Emmen fiel im Mai 1938.

Ungleicher Kampf um Haus und Hof

Der hartnäckige, der Scholle verbundene Feldhüsli-Bauer Franz Ruckli-Peyer (1894 – 1977)

Drei betroffene Grundstückbesitzer, darunter Franz Ruckli-Peyer vom Hof Feldhüsli, weigerten sich, im Rahmen des Flugplatzprojekts in Verkaufsverhandlungen mit dem EMD einzutreten. Ruckli hat die ganze Flugplatzgeschichte unter dem Titel «Unser Heim und der Flugplatz» aus seiner Sicht auf über 170 Schreibmaschinenseiten festgehalten. Während drei Jahren schrieb er als bald Sechzigjähriger in den Wintermonaten auf seinem späteren Bauernhof «Seeblick» in Sulz im Seetal die Leidensgeschichte um seinen zwangsenteigneten Hof Feldhüsli am nördlichen Emmerfeld mit vielen Dokumentenabschriften nieder. Eine spannende Lektüre.

Mit Leidenschaft, ja mit einer gewissen Verbissenheit kämpfte er um Haus und Hof. «Ich pflegte schon als junger Bursche zu sagen: Wenn ich einmal ein paar Quadratmeter eigenen Boden habe, so bringen sie mich nur tot davon fort», hält Franz Ruckli in seiner Dokumentation fest. Als Feldhüsli-Bauer griff er zur Feder. Er wandte sich in Schreiben gegen den Emmer Gemeinderat, platzierte kritische Artikel in der Innerschweizer Bauernzeitung und suchte und fand Verbündete im Kampf gegen einen Flugplatz. Doch es war bald ein ungleicher Kampf. Die liberal-fortschrittlich gesinnte Mehrheit der Emmer Gemeindebehörden, die schwierige wirtschaftliche Lage mit vielen Arbeitslosen und die drohende Gefahr eines neuen Krieges sprachen für den Bau eines Militärflugplatzes in Emmen.

Ruckli liess sich trotz all dieser Argumente nicht weich klopfen. Er wollte seinen Grund und Boden, sein Heim und seinen Herd nicht gegen flüchtiges Geld umtauschen, wie er schreibt. So kam es zur Enteignung. Die nördliche Flugplatzgrenze wurde vorerst so verlegt, dass vom Feldhüsli nur zwei Hektaren beansprucht wurden. War da Taktik dahinter? «Der muss jetzt mürbe gemacht werden!», hält Ruckli fest. Es folgte ein monatelanges Hin und Her mit der Eidgenössischen Schatzungskommission. Die drei nicht verkaufswilligen Grundstückbesitzer wiesen alle Schatzungen zurück. Ein zusätzliches Experten-Gutachten wurde erstellt. Franz Ruckli nahm sich schliesslich Rechtsanwalt Dr. Candid Sigrist (Hochdorf) zu Hilfe. Am 5. August 1940 entschied das Bundesgericht weitgehend zugunsten einer höheren Schatzung, wie sie Dr. Sigrist und Franz Ruckli für das abzutretende Grundstück verlangt hatten. Doch Ruckli war sich bewusst, dass es keine Ruhe gibt und das Feldhüsli vom Flugplatz gänzlich aufgesogen wird. Allerdings ahnte er nicht, dass es noch bis zum 7. November 1947 gehen sollte.
Während der Kriegsjahre machten ihm militärische Instanzen das Leben schwer. Bäume mussten weichen. «Hier wurde eine Splitterwehr errichtet, dort ein Zelt aufgestellt. In Haus und Scheune war keine Ecke, wo wir vor Überrumpelungen sicher waren. 1500 Soldaten und Offiziere absolvierten vom September 1939 bis zum Mai 1942 ihren Dienst im Feldhüsli. Wir hatten keinen festen Boden mehr unter den Füssen», hält Ruckli in seiner Dokumentation fest. Er machte sich deshalb auf die Suche nach einer anderen Liegenschaft. Im Juni 1941 kaufte er im Luzerner Seetal in Sulz einen Bauernhof, den er unter dem Namen «Seeblick» eintragen liess. Nun begann wieder ein neuer Lebensabschnitt. Bis 1947 bewirtschaftete er beide Liegenschaften. Im November dieses Jahres kam es zum letzten Ringen um das Feldhüsli. Der Bund trat als Käufer auf. In zähen Verhandlungen kam es zu einem Kaufabschluss mit Übergang von Nutzen und Schaden auf den 1. Januar 1948.

Ein schönes Erlebnis hält Franz Ruckli in seinem Schlusswort auf seinen Schreibmaschinenseiten fest: Die Flugplatzdirektion lud den Gemeinderat von Emmen sowie einige Flugplatzbauern zu einem ausgedehnten Alpenrundflug mit einer Ju-52 ein, der ihm zeitlebens in guter Erinnerung geblieben ist.

Der clevere, unternehmerisch denkende Haslihof-Landwirt Josef Frischkopf-Müller (1907 – 1995)

Ganz anders agierte Josef Frischkopf, der im Jahr 1932 den Haslihof, der zwischen dem Dorf Emmen und Waldibrücke liegt, durch Auskauf seiner Geschwister erworben hatte und ab 1937 den Hof zur eigenen Bewirtschaftung übernahm. Nach dem Beschluss des Bundesrates zum Bau eines Militärflugplatzes im Jahr 1938 trat Frischkopf rund 17 Hektaren Land an den Bund ab und tauschte gleichzeitig Land von Nachbarliegenschaften ein. Als am 7. Juli 1939 die erste Landung eines Bücker Jungmanns auf dem neuen Flugplatz erfolgte und Emmens Gemeindeammann, Xaver Brunner, den Piloten begrüsste und beglückwünschte, überbrachten Josef Frischkopfs Töchter Rita und Lily dem Piloten einen Blumenstrauss. Anstatt mit der neuen Situation zu hadern, lenkte der Haslihof-Landwirt den Blick in die Zukunft.

Auf dem eingetauschten Land erstellte er 1943 südöstlich der Seetalstrasse eine grosse Scheune, die Vorbeifahrenden durch ihre moderne Bauweise sicher aufgefallen war. Auf dem Betrieb wurden bis zu 55 Stück Vieh gehalten. Alles schön gewachsenes Zuchtvieh mit gutem Milchertrag. Mit dem Viehstand im Haslihof sind prächtige Zuchterfolge erreicht worden, wie dem Protokoll der damaligen Viehzuchtgenossenschaft zu entnehmen ist. Ausser der Leitung und Mitarbeit auf dem Hof stellte Josef Frischkopf seine geistige Kraft und Erfahrung auch der Öffentlichkeit in verschiedenen Institutionen und Land- und Milchwirtschaftsorganisationen zur Verfügung. Bei der Milchannahmestelle Hasli auf der Liegenschaft Frischkopf testete damals der Zentralschweizerische Milchverband die Joghurt-Herstellung. Josef Frischkopf war bereit, Land für den Bau des schweizweit grössten Milchverarbeitungs-Betriebes «Emmi» zur Verfügung zu stellen. Er war auch Vertreter des Volkes im Grossen Rat.

Heute ist vom einst stolzen Haslihof nichts mehr zu sehen. Der markante Spycher ging als Geschenk an die Pro Heidegg. Haus und Scheune wichen grossen Gewerbebauten. Doch der Unternehmergeist, die Weitsicht leben in zukunftsorientierten Betrieben weiter, dem milchverarbeitenden Grossunternehmen «Emmi» sowie in den Firmen GEMÜ, Kunststoff für Medizinaltechnik, und 4B Fenster/Kunststoff-Fenster Kronenberger.

So hatte der Bau des Flugplatzes Emmen nachhaltige Auswirkungen auf die Entwicklung der Gemeinde Emmen, auf Technik und Natur, auf Land und Leute.

Quellen:

  • Geschichte der Gemeinde Emmen, Band 2, von Beatrice Schumacher, Dr. phil., 2004
  • Auszug aus der Chronik: Entstehung und Entwicklung des Militärflugplatzes und Waffenplatzes Emmen seit 1924.
    Zusammenfassung und Bearbeitung: BAMF / BABLW / BLW / Flpl Kdo Emmen, Dokumentationsdienst. 2009
  • Gemeindearchiv Emmen: Protokolle des Gemeinderates 1937-1947; Versammlungsankündigung vom 19. Januar 1938 des Gemeinderates zur Orientierung über die Errichtung eines Militär- und Zivilflugplatzes auf dem Haslifeld bei Emmen; Botschaft des Gemeinderates zur Gemeindeabstimmung vom 24. April 1938 betreffend Beitragsbewilligung an den Militär- und Zivilflugplatz auf dem Haslifeld bei Emmen
  • Unser Heim und der Flugplatz, Dokumentation von Franz Ruckli, 1954
  • Haslihof, Bild-Dokumentation von Otto-Bachmann-Frischkopf, 2012

*Jost Peyer (geboren 1941), verbrachte seine Jugendzeit in Emmen in unmittelbarer Nähe des Flugplatzes. Nach Abschluss des Lehrerseminars Hitzkirch unterrichtete er in Hochdorf und Meggen. Anfangs der 90er-Jahre wechselte er als Projektleiter «Französisch an der Primarschule» in das Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern. Er wohnt seit 1983 in Meggen.

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