19. Oktober 2025
Autor Anton Schwingruber, von 1995 bis 2011 Luzerner Regierungsrat, mit Standesweibel – gezeichnet von Ludwig Suter für die Brattig 2019. | © 2019 «Seetaler Brattig»

*Anton Schwingruber, Werthenstein, «Seetaler Brattig» 2019

Das liebliche Seetal mit seinen sanften Hügeln, saftigen Weiden und blühenden Obstbäumen bildete bei meinen weit über tausend Grussworten, die ich während meinen 16 Jahren Regierungstätigkeit halten durfte, jeweils den Schluss meiner virtuellen Reise durch unsern schönen Kanton.

Begonnen habe ich den Willkommensgruss natürlich jeweils mit dem in sich abgeschlossenen, homogenen Entlebuch mit seinen imposanten, kantigen Gebirgen, Felsen und Chrächen und dem ebenso selbstbewussten und schlauen Völkchen. Oft das gelobte Land genannt. Das Hinterland betitelte ich als unser «cento valli» mit den zerfurchten Gräben und Schluchten des Napfs. Das landwirtschaftlich geprägte Rottal sowie das Städtchen Beromünster durften genauso wenig fehlen wie der Hauptort Sursee – die heimliche Hauptstadt der Landschaft – von den Einheimischen gerne in entschuldbarer Übertreibung als das Versaille oder gar Florenz unseres Kantons betitelt. Es folgten die Seegemeinden mit dem südlich anmutenden Klima, seinen – wilden – Edelkastanienbäumen, den Palmen und den reifenden Feigen, die Toscana unseres Kantons. Die Hauptstadt selber, mit dem einzigartigen Dreiklang von Stadt, See und Pilatusberg auf kleinstem Raum, sei weltweit einzigartig, durfte man ungestraft behaupten.

Und das Seetal?

Wird man ihm gerecht, wenn man einfach vom landschaftlich und menschlich lieblichen Tal spricht und es dabei bewenden lässt?

Das Tal der Bildung

Mitnichten, denn: Unzählige Auftritte durfte ich an Diplom-Matura- oder Jubiläumsfeiern an der Kantonsschule Seetal, am Lehrerseminar Hitzkirch, der Landwirtschaftsschule Hohenrain geniessen, und auch am dortigen Heilpädagogischen Zentrum war ich öfters Gast. Sogar an der «neuen» interkantonalen Polizeischule in Hitzkirch hielt ich kurz vor meinem Austritt aus der Regierung eine politische Schulstunde.

Hundertschaften von Lehrpersonen sind hier – in Hitzkirch und Baldegg – ausgebildet worden und haben die Bildungslandschaft nicht nur Luzerns während Jahrzehnten nachhaltig geprägt. Fast jede Familie hat oder kennt in ihren Kreisen entsprechende Absolventinnen. Meine Frau absolvierte «Baldegg», eine Tochter «Hitzkirch». Das Seetal könnte man durchaus auch das Tal der Bildung nennen.

Als Volkswirtschaftsdirektor hatte ich nicht nur mit der Überdüngung der Mittellandseen meine Sorgen, ich durfte auch einige erfolgreiche Unternehmen im ganzen Seetal besuchen und mich mit ihnen an Erfolgen freuen. Fast historisch war wohl die Verpachtung des Staatsrebberges Heidegg an Peter Schuler.

Geprägt von zwei Seen

Die Region wird landschaftlich einzigartig stark von zwei Mittellandseen geprägt, die ihr zweifellos und unbestritten eine gewisse Lieblichkeit und Sanftheit verleihen. Ähnlich wie die beiden Hügelzüge Lindenberg und Erlosen, die fast nirgends wirklich stotzig sind. Typisch für das Tal und seine Geschichte sind aber auch die Schlösser, Kommenden und Burgruinen.

Die weitgehend unversehrte Landschaft hat das Tal aber mehr den grandiosen Pleiten zu Beginn der verheissungsvollen Industrialisierung zu verdanken, als den grossartigen Projekten, die damals die dortige Bevölkerung von einer Industriemetropole mit Bahnanschluss träumen liess. Immerhin bezahlte die Bahn damals die höchste Dividende aller Schmalspurbahnen der Schweiz und verhalf dem Hauptort zu einem Schauspielhaus mit 1300 Sitzplätzen und einem Casino. Die Seetalbahn sollte dann aber während fast einem halben Jahrhundert auf eine Erneuerung warten und das Seetal wurde vor allem mit dem ewigen Bahnprojekt in Verbindung gebracht.

Ein sanfter Menschenschlag

Regionen werden von Menschen geprägt und mit Menschen in Verbindung gebracht. Der typische Seetaler ist für mich denn auch der unablässige, aber auch liebenswerte Promotor der «gleichnamigen» Bahn, aber auch des Schlosses Heidegg, Josef Egli. Nicht nur als Regierungsrat hatte er eine spezielle Art und einen menschenfreundlichen Charakter, auch als ranghoher Offizier strahlte er vor allem Menschlichkeit, ja sogar eine gewisse, dem Tal eigentümliche Sanftheit aus. Ähnlich empfand ich meinen Vorgänger im Volkswirtschaftsdepartement, Erwin Muff, aber auch meine beiden persönlichen Mitarbeiter Alois Hartmann und Hans Moos sowie meinen Regierungskollegen Kurt Meyer. Überhaupt darf ich recht viele Menschen und Familien im Seetal Freunde oder Verwandte nennen. Schlussendlich bin ich einem echt ausgewanderten Seetaler zu grossem Dank verpflichtet. Er hat mir in den ersten drei Jahren meiner Schulkarriere unter anderem das ABC beigebracht, mein erster Lehrer: Dominik Ineichen aus Altwis.

*Anton Schwingruber (geboren 1950), wuchs in Werthenstein auf, wo er bis heute lebt. Der promovierte Jurist war selbständiger Rechtsanwalt und Notar, bis er 1995 für die CVP in den Luzerner Regierungsrat gewählt wurde, dem er bis 2011 angehörte; acht Jahre als Volkswirtschafts- und acht als Bildungs- und Kulturdirektor. Toni Schwingruber ist verheiratet mit Elisabeth Iten, die beiden haben drei Töchter und vier Grosskinder.

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