Bacchus fühlt sich im Seetal wohl. Illustrationen von Ludwig Suter zu Alois Kaufmanns Weinbau-Beitrag in der Brattig 1994. | © Seetaler Brattig 1994

Alois Kaufmann, Hitzkirch

Es gibt historisch gesicherte Daten über den Rebbau im Seetal. Sie stammen aus der Zeit nach 1200. Es darf jedoch angenommen werden, dass schon einige Zeit vorher Reben angepflanzt worden sind. Aber seit wann? Und wer hat den Rebbau hier eingeführt? Waren es die Römer? Es ist denkbar, dass sie auf ihren Gutshöfen im Seetal Reben gepflanzt haben. Wenn schon, dürfte er nach dem zerstörerischen Alemanneneinfall 259/60 und nach Abzug der Römer Ende des vierten Jahrhunderts wieder aufgegeben worden sein.

Um das Jahr 1000 ist die Nordostschweiz für den Weinbau erschlossen, und um 1100 waren alle heute bestehenden Reblagen vorhanden. Der Weinkonsum war üblich geworden. Pioniere waren die Kirche und die Klöster. Die Klimaverschlechterung zwischen 1280 und 1380, die wirtschaftliche Blüte des Hochmittelalters sowie die Vermehrung der Bevölkerung förderten den Rebbau. Der Lebensstandard hob sich. Kirche und Klöster waren im Weinkonsum vorangegangen. Ihrem Vorbild folgten Adel, Bürgertum und schliesslich die ländliche Bevölkerung. Wein wurde wertvolles Handelsgut und brachte Geld.

Aber wer brachte den Rebbau ins Seetal? Bestanden noch Reste von Rebbergen aus römischer Zeit? Wohl kaum. Waren es auswärtige Klöster, die auf ihrem verstreuten Grundbesitz im Seetal den Rehbau förderten? Oder wurde er auf Grund der günstigen klimatischen Bedingungen und verschiedener nicht feststellbarer Einflüsse aufgenommen, z.B. aus der Ostschweiz, nachdem er sich dort während dieser Zeit allgemein verbreitet hat?

Bei der Gründung der Deutschritterkommende Hitzkirch (1237) bestand der Rebbau bereits. Haben ihn die Ritter von Hitzkirch oder andere Besitzer gefördert? Neben der Abtei Zürich hatten auch das Kloster Engelberg und das Stift Beromünster Lehen in und um Hitzkirch. Der sonnige Südwesthang des Lindenbergs war schon damals äusserst ertragreich. Das Seetal lag an einem bedeutenden Verkehrsweg und der natürlichen Zugangsstrasse nach Luzern. Der Weinbau in› Hitzkirch war in den ersten Jahrhunderten des Bestehens der Kommende eine einträgliche Einnahmequelle.

Schon 1280 bezog das Spital zu Luzern Wein von den Gelfinger Rebbauern. Der in einer Urkunde um 1300 in Richensee erwähnte Rebberg gehörte der Deutschritterkommende. Das Jahrzeitenbuch des Frauenklosters in Engelberg erwähnt 1275 einen Weingarten «ze Heidegg under der burg». Das sogenannte rote Jahrzeitenbuch des Stiftes Beromünster führt 1313 als Ertrag der Zehnten u.a. jenen von den Weinbergen von Baldegg auf. In vielen Urkunden des Stiftes finden sich auch Hinweise auf Weinbau in Nunwil, Urswil, Ermensee, Ballwil. Im Jahrzeitenbuch Hitzkirch von 1399 und 1432/33 finden wir wiederholt Einträge über den Rebbau, u.a. auch in Altwis. In einem Eintrag im Lehen-Urbar der Landvogtey der Freien Ämter aus dem Jahre 1493 heisst es: «Item Cunratt schmid von Hitzkilch hatt zelechen ein Jüchartt reben ze Hitzkilch litt andern plüwliker berg nembt man den baerschtiner.» Der Weinbau war noch im letzten Jahrhundert die Hauptbeschäftigung und die grosse Sorge der Hitzkircher. Ein gutes Jahr konnte ganz anständige Summen eintragen; wenn aber Unwetter, Fröste und Hagel auftraten, war die ganze Arbeit und der viele Schweiss umsonst.

Der ganze westliche Abhang des Lindenbergs vom Schloss Heidegg bis Aesch war mit Reben bepflanzt. Hitzkirch (inkl. Richensee) hatte 60 Jucharten Reben. Es sollen im Jahre 1834 im Hitzkirchertal 800 Säume Wein gewachsen sein, das sind 12‘000 Hektoliter, was (den Mittelwert von 30 Franken angenommen) die runde Summe von 240‘000 Franken ausmachte. Ob der Wein damals in Hitzkirch, Gelfingen oder Altwis wuchs, er wurde generell als «Hetzcheler» bezeichnet. Die besten Qualitäten wuchsen in der Heidegg, am Hitzkircherberg und im Boss zu Altwis.

Im «Zürcher Freitagsblatt» beklagte sich 1834 ein Durstiger, man trinke im Kanton Luzern nur bösen und dennoch teuren Wein, und schimpfte nebenbei auch ein wenig auf die Wirte. Die Hitzkircher bedauerten am 5. Dezember 1834 im «Der Eidgenosse», dass der Betreffende noch nie ins Hitzkirchertal gekommen sei, wo Wein wie Honig fliesse, und man um ein paar Batzen weise, stark, gelehrt, reich und seligen Herzens werden könne. Der süsse Schalk Kläflinger – ein Rotwein und eine Hitzkircher Spezialität, von dem der beste im ganzen Tal auf Heidegg wuchs – werde schon für 48 Franken verkauft, er werde wohl noch höhere Preise erreichen. Dann werden ein paar Unglückliche namentlich angeführt, die die volle Stärke des «Hitzkirchers» nur zu gut zu spüren bekamen.

Es war die Zeit, als die «Bergbauern» neidisch auf die Brüder im Tal hinunterschauten und ihnen bis zu 8000 Franken für die Jucharte boten. Der Jahrgang 1865 wurde von den Alten mit höchster Bewunderung und voller Wehmut und Sehnsucht besungen.

Die Qualität des Hitzkircherweins war aber umstritten. Er kam in Verruf, weil er gerb- und säurereich war, insbesondere der Rote. Weil man nicht genügend Fässer hatte, würde der Wein alljährlich verkauft, vielfach schon als Sauser. Soweit ihn die Seetaler nicht selber daheim oder in den vielen Eigengewächswirtschaften tranken, wurde er in den Wirtschaften der Stadt Luzern, in Reinach, Menziken und Beromünster konsumiert. Die Strassen waren damals miserabel und der Weintransport schwierig. Deswegen gelangten die Hitzkircher immer wieder an die Regierung mit der Bitte um bessere Strassen und für einen Markt, um den Absatz zu fördern. Mangels Lagerung konnten sich Säuren und Tannin nicht abbauen. Von einer sachgemässen Vinifikation verstand man damals noch nicht viel.

In Gelfingen soll das Verhältnis zwischen Weiss- und Rotweinreben ungefähr 9 zu 1 betragen haben, und laut Paul Pfenniger wurde auch in Hitzkirch vor allem weisser Wein angebaut. Bekannter und gesuchter war hingegen der «Kläflinger» sowie der «Grossrote». Der Kläflinger wurde als Burgunderrebe bezeichnet und hatte kleine süsse Beeren. Diese Reben waren wetterfest. Der «Grossrote» oder die «Hitzkircherrebe» kam vielerorts vor, ist heute jedoch fast ausgestorben. Der Stammbaum dieser Rebsorte ist unbekannt. Die beiden Rotweinsorten wie auch jene der weissen Weine standen vermutlich im Mischsatz. Über die Weissweinsorten sind keine Angaben erhalten geblieben. Doch dürften sie mit jenen der Ostschweiz identisch sein, also Räuschling, Elbling, vielleicht auch noch Gutedel.

In den 80er Jahren wollte der Wein nicht mehr gedeihen. Viele dieser Jahre waren nass und kalt. Man glaubte auch, die Reben seien krank geworden, weil sie jahrhundertelang am selben Ort gezogen wurden. An der Behandlung fehlte es nicht, aber das Pflanzen neuer Reben lehnte man ab. Die Rebberge wurden gerodet, man pflanzte Esparsette, wechselte zur Milchwirtschaft, weil die Milchpreise stiegen, sowie zum ebenfalls geeigneteren Obstbau.

Früher galt im Hitzkirchertal die Regel, dass vom Ertrag einer halben Jucharte der Zins für eine kleine bis mittelgrosse Liegenschaft herausgewirtschaftet werden konnte, während der Unterhalt für die Familie aus dem Kornanbau bestritten wurde. Der Eisenbahnbau zerstörte viele Grundlagen der damaligen Landwirtschaft. Billige Getreideeinfuhren ruinierten den Kornanbau und die billigen ausländischen Weine brachten den Hitzkircher Weinbau zum Erliegen.

1886 baten die Hitzkircher die Regierung, die Rebberge wegen der Reblaus zu untersuchen. Der Ertrag wurde immer geringer. Wegen der Pilzkrankheiten mussten die Rebberge zwei- bis dreimal mit Kupfervitriol gespritzt werden, was Mehrkosten und Mehrarbeit ergab. Es rentierte einfach nicht mehr. Zufolge der Industrialisierung stiegen die Löhne. Die Alten klagten, die Buben wollten nicht mehr in den Rebberg. 1903 bewilligte der Regierungsrat in Hitzkirch noch den Ausschank in vier Eigengewächswirtschaften, während es früher zwanzig gewesen waren. Die Entwicklung und der Rückgang des Rebbaus in unserem Tal verlief weitgehend analog mit jenem der Gesamtschweiz. Die schweizerische Rebfläche hat sich zwischen 1850 und 1880 erstaunlich ausgeweitet und betrug 1884 34 380 Hektaren.

Die Industrialisierung führte in diesen Jahren zu einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur und zu einer Erhöhung des Lebensstandards. Mangels genügenden Transportmöglichkeiten war der Import von Fremdweinen noch sehr beschränkt und mit hohen Frachtkosten belastet. Um die Mitte der 80er Jahre setzte ziemlich unvermittelt eine Krise ein. Auf die guten Weine der 70er Jahre folgte ein Jahrzehnt mit starken Ertragsschwankungen und anhaltendem Rückgang der Ernteerträge. Die geringen Erträge zwischen 1882 und 1892 fallen in eine Zeit auffälliger Temperaturabsenkung um 0,84 Grad Celsius. Der Weinimport erhöhte sich von 1851 mit 194‘000 Hektoliter auf 2‘061‘000 Hektoliter im Jahre 1905, sprunghaft ab 1880 mit dem Eisenbahnbau. Zusätzlich wirkte sich die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen für den Niedergang aus. Der Rückgang der Erträge auf die Hälfte liess den Rohertrag ab 1880 unter die Produktionskosten sinken. Die Weinpreise blieben hinter der allgemeinen Preisentwicklung zurück. Die Rebfläche in der Schweiz schrumpfte auf einen Drittel und erhöhte sich ab 1965 wieder auf 15‘000 Hektaren. Die lokalklimatische Begünstigung des Seetales war massgebend für den Beginn des Rebbaus vor 800 Jahren und ebenso auch für die Wiederaufnahme in diesem kleinen Anbaugebiet. Die beiden Seen wirken klimatisch ausgleichend. Das Tal hat weniger Regen und zuweilen trägt der Föhn zum ausgleichenden Mikroklima bei. Die südwestlich ausgerichteten Hanglagen eignen sich nach wie vor ausgezeichnet für den Rebbau, was in den letzten Jahren nachdrücklich bewiesen wurde.

Alois Kaufmann (1926–2017) war von 1952 bis 1952 Gemeindeschreiber von Hitzkirch- Der Weinanbau war mehr als ein Hobby von ihm, er pflegte bei seinem Haus am Grottenrank einen eigenen kleinen Rebberg. Alois Kaufmann war Mitbegründer der Weinbaugenossenschaft Hitzkirch und damit mitverantwortlich für die Anpflanzung des Rebberges in Hitzkirch.

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