*Josef Egli
Wer «4B» sieht oder hört, denkt an Fenster, fragt sich aber auch: Was bedeutet die 4, was das B? Versuchen wir, eine Antwort zu finden. Das ist spannend, denn die Geschichte der Schreinerei Bachmann ist ein interessantes Beispiel für die Entwicklung des ländlichen Gewerbes.
Müswangen im Amt Hitzkirch
Müswangen gehörte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zum Amt Hitzkirch, das Teil der Eidgenössischen Untertanengebiete «Freie Ämter» war. Hervorgegangen aus dem mittelalterlichen Amt Richensee umfasste das Amt Hitzkirch mit Ausnahme von Schongau und Ermensee, die zum luzernischen Michelsamt gehörten, alle Gemeinden im Hitzkirchertal. Hitzkirch hatte ein eigenes Amtsrecht und ein Gericht, dem der jeweilige Untervogt vorstand. Als 1803 aus Teilen des vormals bernischen Untertanengebiets, der Grafschaft Baden, den Freien Ämtern und dem Fricktal der Kanton Aargau gebildet wurde, schlug man das seit dem späten Mittelalter zum Stand Luzern gehörende Amt Merenschwand zum Aargau und das früher freiämtische Amt Hitzkirch zum Kanton Luzern. Vor dem Umbruch von 1798 und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bildete die Landwirtschaft die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung.
Einen bescheidenen Zustupf lieferte in den Gemeinden auf dem Lindenberg seit dem 18. Jahrhundert die Strohflechterei und in den Dörfern rund um Hitzkirch das Weben von Seidenbändern. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche Müswangens war früher kleiner als heute, bestand doch die Alimend weitgehend aus Moosland.
Bauern und Handwerker
Weil die Leute früher das meiste, das sie zum Leben brauchten, selber anbauten und herstellten, waren alle Bauern. Die hablicheren unter ihnen bewirtschafteten die grösseren Liegenschaften und besetzten die Ehrenämter im Dorf, die kleineren übten die weniger angesehenen Verrichtungen aus oder waren Handwerker.
Auf der untersten Stufe der dörflichen Rangordnung standen die Tauner, die Taglöhner. Die Handwerker im Dorf arbeiteten weitgehend im Dienste der Landwirtschaft: Der Müller, der Wagner, der Schmied, der Rechenmacher, der Nagler und, wo man Wein anbaute, auch der Küfer. Andere waren des Bauens kundig: Der Maurer, der Zimmermann, der Schreiner, der Dachdecker. Viele Handwerker, beispielsweise der Schneider und die Näherin, gingen auf die Stör. Die Bauern waren Selbstversorger. Das Brot buk die Hausfrau selber. Bäckereien und Spezereihandlungen kamen erst auf, als die Eisenbahnen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kolonialwaren, wie Zucker, Kaffee usw. heranbrachten.
Alle diese Gewerbetreibenden waren «Handwerker» im eigentlichen Sinne des Wortes: Für ihre Arbeit benutzten sie nur ihre Hände und die für einzelne Tätigkeiten bestimmte Werkzeuge. Nur wenigen, den Müllern, Sägern, Walkern, Stampfern usw. trieb die Wasserkraft einfache Maschinen an.
Der Dorfschreiner insbesondere
Der Dorfschreiner war ein vielseitiger Mann: Er fertigte Möbel an, vor allem jene für die gute Stube und das Schlafzimmer. Die Betten waren zunächst einfache Gestelle, eine Art Pritsche, auf die ein Laub- oder Strohsack gelegt wurde. Später bestanden sie aus einer Bettstatt sowie einer Unter- und Obermatratze. Zu den Möbeln, für die ein grosser Aufwand betrieben wurde, gehörte das Buffet in der guten Stube. Hier finden sich in älteren Häusern wahre Kunstwerke. Der Innenausbau, den die Bauherren dem Schreiner übertrugen, war bescheiden. Täfer fand sich nur in den Stuben. Ging einmal eine Scheibe in Brüche, brachte man sie zum Schreiner. Zu den Bauern auf den Einzelhöfen und Weilern ging der Schreiner auf die Stör. In einem Rät einem Traggestell, trug der Schreiner Scheiben in verschiedener Grösse mit sich, passte sie ein und verstrich die Ränder mit Kitt oder Unschlitt. Wenn jemand gestorben war, fertigte der Schreiner einen Sarg an, in Massarbeit, nie auf Vorrat.
Heinrich Bachmann erwirbt 1895 eine Schreinerei in Hochdorf
Familien mit dem Namen Bachmann waren seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in Müswangen wohnhaft. Alle waren Bauern. Der erste, der sich mit Holzverarbeitung befasste, war der 1620 geborene Caspar. Er war Säger. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts findet sich ein Franz Josef Bachmann, der als Schreiner und Wagner arbeitete. Ein anderer, namens Peter, war Glaser. Schreiner war auch der am 10. Mai 1863 geborene Heinrich Bachmann. 1890 wurde er Geselle beim Schreinermeister Alois Peter in Hochdorf. Fünf Jahre später heiratete er Catharina Affentranger, ebenfalls von Müswangen, und ein Jahr später, 1896, kaufte er von Alois Peter die an der Hauptstrasse und an der Rosengasse gelegene Schreinerei.
Aufträge erteilten ihm die Bauern von Hochdorf und der Umgebung, zusätzlich, im Rahmen des damaligen Wirtschaftswunders, Industrielle und Gewerbetreibende der neuen «Metropole». Dem Ehepaar Bachmann-Affentranger wurden zehn Kinder geboren, von denen vier ebenfalls das Schreinerhandwerk erlernten.
Eine erste Erweiterung
Um sein Geschäft zu erweitern, wollte sich Heinrich Bachmann zunächst jenes Grundstück erwerben, das seinem eigenen gerade gegenüber lag. Das gelang nicht, weil der Gemeinderat hier das neue Rathaus bauen wollte, nicht zuletzt, um das aufgrund der Gerichtsorganisation von 1913 geschaffene Amtsgericht unterzubringen. So wich Heinrich Bachmann an die Kleinwangenstrasse aus und erbaute dort, wo sich heute die Parkplätze für den SPAR und die übrigen Geschäfte befinden, ein neues Wohnhaus und eine Schreinerwerkstatt. Hier war nun genügend Platz für moderne, mit elektrischem Direktantrieb versehene Maschinen. Älteren Hochdorfern sind neben der Familie Bachmann auch verschiedene ehemalige Mitarbeiter der Schreinerei in Erinnerung, Jakob Rothenfluh, Georges Spescha, Jakob Fasler usw.
Zwei Betriebe
Der neue Betrieb an der Kleinwangenstrasse ging später an die Brüder Franz, Alois und Philipp über. Der älteste Sohn, Heinrich, geboren 1899, verheiratet mit Maria Bühler von Günikon/Hohenrain, gesegnet mit der stattlichen Kinderzahl von fünf Mädchen und fünf Buben, musste die von seinem Vater neu erworbene, aber veraltete Schreinerei an der Bellevuestrasse übernehmen.
Die Gebrüder Bachmann kamen überein, sich gegenseitig nicht zu konkurrenzieren, sondern die Geschäftsbereiche aufzuteilen. Heinrich spezialisierte sich auf Küchen, Schränke, Türen und Fenster. Franz, Alois und Philipp stellten vor allem Möbel her und waren im Innenausbau tätig.
Frischer Wind durch Otto Bachmann
Nach dem frühen Tod seines Vaters Heinrich, 1961, übernahm der 1933 geborene Otto Bachmann den Betrieb an der Bellevuestrasse. Gleich zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit stellte sich ihm die Frage, ob er einer der über dreissig Dorfschreiner im Seetal bleiben oder ob er etwas Neues, Grösseres wagen wolle. Otto entschied sich für das Wagnis. Als Erstes gelang es ihm, die Schreinerei seiner beiden Onkel und jene seines verstorbenen Vaters wieder in einen Betrieb zusammenzuführen. Mit seinem Bruder Anton und seinem Onkel Philipp gründet er die «Gebrüder Bachmann AG». 1964 verkaufte diese Aktiengesellschaft das Gebäude an der Bellevuestrasse der Bauunternehmung Kiener AG. Zwei Jahre später bauten die Gebrüder Bachmann die Schreinerei an der Kleinwangenstrasse aus.
1970 konnte Otto Bachmann von Josef Sticher an der Ron Bauland für die Ansiedlung eines neuen Betriebes erwerben. Mitverschiedenen Tauschgeschäften und in kleinen Schritten gelang es, das Areal bis auf die heutige Grösse auszudehnen.
Otto, der nach einigen Jahren Allein-Aktionär wurde, baute im Gelände an der Ron eine moderne Fabrik für Fenster, Badmöbel und Haustüren. Der Verlauf der Konjunktur belohnte seinen Wagemut, nicht zuletzt darum, weil er nicht nur Fenster für Neubauten herstellte, sondern eine Methode entwickelte, wie Fenster in Altbauten rasch und umweltgerecht erneuert werden können.
Unterstützung durch die Familie
Am 15. Mai 1962 schloss Otto Bachmann mit Lily Frischkopf aus Emmen den Ehebund. Frau Bachmann unterstützte ihren Mann in allen Teilen und half auch tatkräftig im Betrieb mit. Dem Paar wurden vier Knaben geschenkt, die alle eine Ausbildung erhielten, die sie befähigte, später gemeinsam den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Die Neunzigerjahre waren stark geprägt vom Willen, die Qualität in allen Bereichen zu fördern und gleichzeitig umweltfreundlich zu handeln. Als Erfolg dieses Strebens erhielt die Firma 1997 das ISO Qualitätsmanagementzertifikat und das Umweltmanagementszertifikat.
Die vierte Generation übernimmt die Unternehmensführung
Mit den Söhnen Mark, Otto und Ivo übernahmen drei Söhne von ihrem Vater die Führung des Unternehmens. Max Bachmann, der aus einer andern Familie stammt, ist der vierte Mann der Unternehmensleitung. Heute bedient das Unternehmen 4B mit gut 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Kunden in der ganzen Schweiz mit Holz-Metallfenstern, Haustüren und Badmöbeln. Damit beantwortet sich die zu Beginn gestellte Frage: «4B» bedeutet vier Generationen der Familie Bachmann, steht aber auch für die vier «Bach-Männer», welche das Unternehmen heute führen.
Nachtrag
Dieser Brattig-Beitrag wurde aus aktuellem Anlass am 22. Dezember 2024 online gestellt: Das Unternehmen 4B, inzwischen auf 11 Standorte angewachsen und 650 Mitarbeitende gross, wird nach Dänemark verkauft. Das Familienunternehmen wird Teil der international tätigen Dovista-Gruppe, wie es in einer Mitteilung vom 19. Dezember 2024 heisst. 4B soll als eigenständiges Schweizer Unternehmen mit Werksstandort Hochdorf weitergeführt werden. Hier investiert 4B zurzeit 35 Millionen Franken in eine Werkserneuerung und erneuerbare Energieversorgung.
4B-Gründer Otto Bachmann war im März 2018 im Alter von 85 Jahren verstorben (Lebensdaten: 13. Februar 1933 bis 6. März 2018), seine Ehefrau Lily schon 2001 mit 65 Jahren. Ivo, der eine der vier Bachmann-Söhne, verstarb 2017 im Alter von 50 Jahren.
*Josef «Seppi» Egli, geboren 1932 und aufgewachsen in Ermensee, war von 1983 bis 1995 für die CVP (heute «Die Mitte») Luzerner Regierungsrat und Baudirektor. Der Jurist und Rechtsanwalt hatte 1961 mit einer Arbeit über den Erlosenwald doktoriert, war am Amtsgericht Luzern-Land und Kriminalgericht tätig und wurde ab 1966 Grundbuchverwalter und ab 1972 kantonaler Grundbuchinspektor. Für seine Liebe zu «Land und Lüüt», insbesondere im Seetal, steht das Präsidium der Vereinigung Pro Heidegg, das Seppi Egli nach seiner Regierungstätigkeit während zwölf Jahren ausübte.