Ausschnitt aus dem «Brattig»-Beitrag 1999 zu den alten Seetaler Strassenbauplänen. Rechts ist die Linienführung der Hochleistungsstrasse zu sehen, wie sie bis Mitte der achtziger Jahre im Richtplan enthalten war Der südliche Anfang befand sich nordwestlich von Ballwil, wo sie an die ebenfalls geplante Ost-West-Alpenfusstransversale anschloss. | © Seetaler Brattig

*Dominik Thali, Hochdorf | aus der «Seetaler Brattig» 1999

Einmal, erinnert sich Hans Thali, hätten ihm die Planer eröffnet, die neue Strasse werde auf Pfeilern durch das Dorf und just über sein Scheunendach führen. Wann das war, weiss der frühere Gelfinger Gemeindeammann nicht mehr genau, so in den sechziger Jahren, bloss noch, dass ihm diese Absicht gerade recht gekommen sei: «Das Dach war nämlich nicht mehr überall dicht, und mit einer Strasse darüber hätten wir uns das Flicken ersparen können.»

Freilich war das, was Hans Thali als verrücktes Ingenieurwerk auffasste, keineswegs scherzhaft gemeint. Durch das Seetal sollte nach dem Willen von Planern und Politikern, die an eine uneingeschränkte mobile Zukunft glaubten, lange Zeit eine Hochleistungsstrasse, eine Art Autobahn, führen. Später wurden die vier Spuren zwar auf zwei verschmälert, die aber noch immer um fast alle Dörfer herumführten, sich hektarenweise durchs Landwirtschaftsland fressend.

Geblieben ist die Umfahrung Hochdorf

Übriggeblieben ist von dieser Planungseuphorie wenig: Der Entwurf zum neuen kantonalen Richtplan, der sich zur Zeit in Bearbeitung befindet, stuft das Seetal nur mehr als Nebenachse in der kantonalen Entwicklung ein, im Gegensatz etwa zum Rontal oder Surental. Die Sanierung der Verkehrsknotenpunkte im Hitzkirchertal hat nur noch Priorität B, die Westumfahrung von Hochdorf bloss noch eine Ausbauoption: «Deren Kosten-Nutzen-Verhältnis muss noch nachgewiesen werden«, erklärt der Regierungsrat.

Diese Forderung scheint, wenigstens aus heutiger Sicht, zur Zeit der grossen Autobahnplanungen und -bauten in den sechziger und siebziger Jahren zum vornherein erfüllt gewesen zu sein. Der neue Richtplan gibt Anlass, auf die damalige Euphorie zurückzublicken. Die alten Pläne vor Augen, ärgern sich die Verkehrsgläubigen vielleicht einmal mehr über die Bahnkreuzung in Ballwil und die enge Hitzkircher Dorfdurchfahrt. Die anderen, die das Wünsch- und Machbare im Strassenbau anders gewichten, ziehen die schöne Seetaler Kulturlandschaft auch morgen noch einem zügigeren automobilen Vorwärtskommen durchs Tal vor.

Auf welches Jahr die ersten Seetaler Autobahnpläne zurückgehen, lässt sich nicht feststellen. Ein Ortsplan von Hitzkirch, datiert von 1967, zeigt jedoch die hier damals geplante Linienführung: mitten durch das heutige Wohngebiet Schybenacher/Rebmesser und dann Richtung Industriegebiet/Hegler nordwärts, mit einer Unterführung der Bahnhofstrasse. Auf dem Plan ist übrigens die künftig mögliche Einwohnerzahl von Hitzkirch mit gut 9000 angegeben.

Kneschaureks Prognosen

Solcher planerischer Wagemut erinnert an die Prognosen von Professor Francesco Kneschaurek, der im Auftrag des Bundesrates von 1968 bis 1973 Studien über die Entwicklung der schweizerischen Volkswirtschaft bis zum Jahre 2000 angestellt hatte und dabei auch im Seetal von einer grossen Bevölkerungszunahme ausging. Bevölkerungs- und Verkehrserwartungen wurden jedoch im gemeinsamen «Transportplan» der Zentralschweizer Kantone von 1974 und, auf das Seetal bezogen, von der Regionalplanung in Frage gestellt. Doch auch die auf zwei Spuren abgespeckten Seetaler Strassenpläne waren alles andere als bescheiden. «Die zu erwartenden Verkehrsbedürfnisse erfordern zwar keine Hochleistungsstrasse», heisst es in einem Gutachten der Regionalplanung vom Dezember 1974. Eine Hauptverkehrsstrasse genüge. Freilich ist schon eine solche Strasse aus heutiger Sicht kaum vorstellbar; die damalige Unterscheidung zwischen Hochleistungs- und Hauptverkehrsstrasse mutet unserer mobilitätsgeschädigten Generation geradezu irrwitzig an. Doch vor dreissig Jahren hatten Strassenbauer und Naturschützer eben noch Raum genug, einander auszuweichen.

Ermensee und Aesch umfahren

Zitat aus dem Gutachten: «Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die neue HVS nicht durch die Ortschaften des Seetales geführt werden kann. Der Ausbau auf den nötigen Standard ist hier praktisch kaum möglich und zweifellos auch gar nicht zumutbar. Es wird also vorgeschlagen, Hochdorf, Gelfmgen, Ermensee und Aesch zu umfahren.» Die Pläne sahen unter anderem vor, die neue Strasse vom Gölpi bis Gelfingen parallel zur alten (die dann dem Landwirtschaftsverkehr dienen soll) zu führen. In Mosen war geplant, die Strasse von Schwarzenbach her in einer weiten Kurve mit einer Brücke über die Bahn zu führen, südw.rts des heutigen Übergangs.

In der geltenden Ortsplanung ist das Land dafür immer noch freigehalten. Weiter war beabsichtigt, eine neue Verbindung schräg durch das untere Seetal ab Mosen Richtung Meisterschwanden zu legen und Aesch zu umfahren. Weiter heisst es im gleichen Gutachten: «Es kann davon ausgegangen werden, dass die Notwendigkeit einer Umfahrung von Hochdorf als unbestritten angesehen wird.» Die Entlastung Hochdorfs vom ortsfremden Verkehr gehöre «zu den ersten Massnahmen, welche im Seetal vorzunehmen sind». Heute, so ist anzunehmen, hat der ortseigene Verkehr ungefähr ein solches Ausmass angenommen wie seinerzeit fremder und eigener zusammen. Geplant war damals übrigens eine Ostumfahrung von Hochdorf. Sie hätte mitten durch die heutigen Schrebergärten im Moos geführt.

Autobahnanschluss in der Ägerten

In ihrem Richtplan von 1977, vom Regierungsrat 1979 genehmigt, nahm der Regionalplanungsverband Seetal all diese Pläne weitgehend auf. Der abgebildete Kartenausschnitt aus jener Zeit zeigt, wie man sich die Hauptverkehrsstrasse vorstellte. Zitat aus dem «Bericht zum Basisinhalt» der Regionalplanung: «Der südliche Anfang der vorgesehenen Hauptverkehrsstrasse durch das Seetal befindet sich nordwestlich von Ballwil, wo der Anschluss an die neuerdings geplante Ost-West-Alpenfusstransversale – welche ihrerseits auf die Ringstrassen um und nach Luzern führt – stattfindet. Bei der Kreuzung der HVS mit der bestehenden Seetalstrasse ist der Anschluss Süd von Hochdorf vorgesehen. In nördlicher Fortsetzung führt die HVS ungefähr im Bereiche der Gemeindegrenze zwischen Hochdorf bis ins Gebiet Gölpi.» Hohenrain, Kleinwangen und Lieli hätten ebenfalls zu einem HVS-Anschluss kommen sollen.

Festzuhalten ist hier, dass die Regionalplaner vor 20 Jahren nicht nur Strassen bauen wollten, sondern auch einen durchgehenden Veloweg von Aesch bis Ballwil (der heute noch grosse Lücken hat) und neue Busverbindungen planten, unter anderem von Hochdorf über Hohenrain dem Lindenberg entlang bis auf den Hämiker Berg.

Zwei Helikopterlandeplätze

Vorgesehen waren auch zwei Helikopterlandeplätze, einer im Hofderer Feld, der andere ausgangs Hitzkirch Richtung Altwis. Die Bemerkung dazu im Bericht zeigt, dass solche Projekte nicht planerischem Übermut entsprangen, sondern vielmehr, wie auch im Strassenbau, damals für richtig empfundener Weitsicht. Die Landeplätze, heisst es, könnten «im Falle einer schnellstmöglichen Hilfe bei Schwerkranken, Verletzten und der Beschaffung von Medikamenten von lebensnotwendiger Bedeutung sein».

Die gewaltigen Seetaler Strassenpläne blieben lange aktuell. In seinem Grundlagenbericht von 1982 bezeichnete das kantonale Raumplanungsamt eine Ostumfahrung von Hochdorf neben Umfahrungen von Ballwil (Westen) und Eschenbach (Osten) als «Minimalvariante » für das Seetal. Die «Optimalvariante» sah zusätzlich eine Hauptverkehrsstrasse ab dem Gölpi bis zu den Autobahnanschlüssen Buchrain und Rothenburg vor.

Erst 1985 schlug der Regionalplanungsverband vor, auf die Umfahrungen von Mosen, Aesch und die Parallelstrasse Gölpi-Gelfingen zu verzichten, was von Volk und Regierung auch so genehmigt wurde. Statt einer Ostumfahrung von Hochdorf wurde eine Westumfahrung im Richtplan verankert. Im kantonalen Richtplan von 1986 wurde auch die Umfahrung von Gelfingen gekippt und nur noch die Ostumfahrung von Ermensee belassen, die nach der Bahnverlegung anzulegen sei.

Davon ist nicht mehr die Rede. Heute ist selbst die Umfahrung von Hochdorf in Frage gestellt, vor allem aus finanziellen Gründen. Eine «Ausbauoption» zu haben, eröffnet aber immerhin bedeutend mehr Möglichkeiten als jede schon gebaute Strasse: Erstens ist Vorfreude die grösste Freude, und zweitens ist schon mancher Wunsch von der Zeit überholt worden.

Dominik Thali (geboren 1963) hat seine Wurzeln in Gelfingen, wuchs in Einsiedeln auf und lebt seit 1989 in Hochdorf. Er war u.a. Redaktor des «Seetaler Bote» und ist seit 2006 Kommunikationsverantwortlicher der katholischen Kirche im Kanton Luzern. Für die sechs Ausgaben der «Brattig» 2016 bis 20121 war er deren verantwortlicher Redaktor.

Dominik Thali (geboren 1963) hat seine Wurzeln in Gelfingen, wuchs in Einsiedeln auf und lebt seit 1989 in Hochdorf. Er war u.a. Redaktor des «Seetaler Bote» und ist seit 2006 Kommunikationsverantwortlicher der katholischen Kirche im Kanton Luzern. Für die sechs Ausgaben der «Brattig» 2016 bis 20121 war er deren verantwortlicher Redaktor. Hinweis: Der eingangs erwähnte Hans Thali war ein Onkel des Autors. Er verstarb 2008 im Alter von 89 Jahren.

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