Martin Bühlmann am Hofderer Märt 2019. Sein Können bringt er gerne auch jungen Brattig-Leserinnen und -Lesern bei. | © 2019 Dominik Thali

*Dominik Thali

Politiker tun, wonach ihnen gerade ist. Zeitungen schreiben, was sie wollen. Leider. Die Brattigleute hingegen hören auf ihre Leserschaft. Jedenfalls, als vor Jahren an einem Märttag im Hauptort Balbina Unternährer, Coiffeur-Xaveris Balbina aus Ligschwil, an den Brattigstand kam und zu Martin Bühlmann beiläufig bemerkte, es sei ja nicht einmal die heilige Balbina im Brattig-Kalendarium aufgeführt, entgegnete selbiger, da habe sie erstens recht und zweitens liesse sich dieses Versäumnis korrigieren. Fortan erhielt auch die himmlische Balbina ein Plätzchen in der Brattig. Und weiss die Welt mittlerweilen, dass die gottesfürchtige Frau, um 130 ihres christlichen Glaubens wegen ermordet und Schutzheilige gegen Halsleiden und Kropf, am 31. Lenzmonat Namenstag hat.

«Fast ins Rotieren gekommen»

Das ist echte Volks- und Kundennähe (im Unterschied zur bloss vorwahlbedingten). Was es dazu braucht? Ein paar Stunden Zeit, eine Handvoll Brattigfreunde (keine akademisch veranlagten), einen Tisch und warme Schuhe. An der 22. Märtfahrt der Seetaler Brattig, am 18. Wintermonat 2009, brachten Martin Bühlmann und sein Team, dergestalt ausgerüstet, 262 Brattigen an den Mann und die Frau. «Sage und schreibe. Das war ein neuer Rekord, und wegen des gewaltigen Absatzes kamen wir fast ins Rotieren», sagt Martin Bühlmann. Über die Märtfahrt, wie er sie nennt, führt er übrigens zuhanden der Nachwelt fein säuberlich Buch. Färn notierte er unter dem Zwischentitel «Wetter»: «Nach der Schütti in der Nacht und am frühen Morgen wird es trocken, windstill und mild.»

Die Märtfahrt ist eine Bühlmannsche Erfindung, Sie geht auf 1987 zurück, als es darum ging, Bilder des Bauernheiligen Wendelin zu verkaufen, die Albert von Wartburg, Lehrer und langjähriges Brattigkommissions-Gschpänli von Martin Bühlmann, mit seiner 2. Realklasse hatte malen lassen. Der Erlös kam einem landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekt der Baldegger Schwestern zugute.

Wirksam und billig

Aus diesem Anfang wuchs die wirksamste und zugleich billigste PR- und Kundenbindungsaktion für die Brattig, wie sie ein dipl. Werber nur für teures Geld erfinden würde. Der Seetaler-Brattig-Stand am Hofderer Märt solle «die Brattig durch die Leute beleben lassen», erklärt Martin Bühlmann. «Das Brattighafte liegt nicht nur in gedruckter Form vor, sondern steht und wirkt leibhaftig im Marktgetümmel.» Am Märt könne man den Puls der Leserinnen und Leser spüren, diesen die Möglichkeit zur Kritik geben («ein Kommentar am Stand ersetzt den Leserbrief») und, ganz wichtig, Ideen für kommende Ausgaben sammeln (siehe unter «Balbina», 1. Absatz)

Was besagte Kosten betrifft: Bloss 40 Franken verrechnet die Gemeinde Hochdorf den Brattigleuten für ihren Stand: 25 für die Miete, 5 pro Laufmeter. Hinzu kommen nebst Spesen viel guter Wille, eine Portion Ehrenamtlichkeit sowie Kundenfängerli in genügender Anzahl, wie sie Martin Bühlmann nennt — «Willisauer Ringli» und Brattig-Schöggeli. Dazuzurechnen ist auch der Bühlmannsche Service, in die käuflich erworbene Brattig einen gescheiten Spruch oder eine Widmung zu schreiben, und zwar mit Tinte und Feder und in deutscher Kurrentschrift. In einem alten Setzkasten, seinerzeit von Drocki-Xaveri erhalten, bewahrt Matin Bühlmann Schreibfedern jeglicher Härte auf. 40 verschiedene. John Mitchells, Alpha und Brandauer. Oder Soennecken in mannigfachen Breiten. Es gibt Kunden, die kaufen ihre Brattig zwar lieber einem Schulkind ab, weil sie gerne dessen Klassenkasse speisen, bringen ihr Exemplar aber an den Märt, um es von Skriptor Martin einmalig machen zu lassen.

Ein Hofderer Märt ohne Brattigstand und Martin Bühlmann hinter demselben ist unvorstellbar. Weil es dem Angesprochenen, in aller Bescheidenheit, ebenso ergeht, wird es vorläufig dabei bleiben. In anderen Bereichen, sagt Martin Bühlmann, habe er «die gehabten Posten alle zur Zeit verlassen». Bei den Brattigleuten aber, mou, da habe er den Eindruck, sie seien noch froh um sein Mittun.

Aber natürlich. 67 ist ja heutzutage auch noch kein Alter.

*Dominik Thali (geboren 1963) hat seine Wurzeln in Gelfingen, wuchs in Einsiedeln auf und lebt seit 1989 in Hochdorf. Er war u.a. Redaktor des «Seetaler Bote» und ist seit 2006 Kommunikationsverantwortlicher der katholischen Kirche im Kanton Luzern.

Facebook
WhatsApp
Email