Chäs und Brot, dazu ein Moscht oder ein Glas Wein: das schmeckte auch Brattig-Illustrator Paul «Nussbi÷ Nussbaumer, der diesen Beitrag für die Ausgabe 1987 illustrierte. | © 1987 Seetaler Brattig

Marcel Rüttimann

Nach wie vor prägt die Landwirtschaft das wirtschaftliche Bild der Gemeinde Rain. Da sich die Böden nur mittelmässig für Ackerbau eignen, steht die Milchwirtschaft im Vordergrund. Die fünf Käsereien legen Zeugnis davon ab.

Die Milchprodukte machen einen grossen Teil unserer täglichen Nahrung aus. Es gibt wohl kaum ein anderes Grundnahrungsmittel, das uns eine derart enorme Vielfalt an Erzeugnissen zur Auswahl stellt. Ich denke da nebst Butter und Joghurt vor allem an die zahlreichen Käsearten, die sich durch verschiedenste Eigenschaften voneinander unterscheiden. Woher kommt denn die Kunst der Käseherstellung eigentlich?

Etwas Käse-Geschichte

Wo der Ursprung der Käsekunst anzusetzen ist, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Der älteste Fund stammt aus der Grabkammer des ägyptischen Königs Horus Aha, der etwa zwischen 3000 bis 2800 v.Chr. regiert hat. Dort fand man in Töpfen Rückstände von Käse. Dies ist ein bemerkenswerter Fund, wenn man bedenkt, dass Käse nach so langer Zeit nur unter ganz besonderen Bedingungen nachgewiesen werden kann. Es sind vor allem bildliche Darstellungen und schriftliche Überlieferungen, die Anhaltspunkte zur Geschichte der Käsekunst liefern. Im lybischen Teil der Sahara stiessen Altertumsforscher auf Höhlenzeichnungen aus der Zeit von 5000 bis 2000 v. Chr ., die höchstwahrscheinlich die Käseherstellung zeigen. Dazumal war die Sahara noch gutes Weideland und wurde von Nomadenvölkern durchzogen. Vermutlich fand die Käseherstellung zur Zeit der Völkerwanderung ihren Weg nach Europa.

Die Basken kannten in ihrer Sprache bereits Wörter für «Käse» und «Molke». Eine andere Möglichkeit ist, dass sich die Wiege der Käsekunst in Südosteuropa befindet. Funde bestätigen, dass in Mazedonien und Thessalien schon um 6500 bis 5000 v.Chr. Tiere gemolken wurden. Wie der Käse anfänglich hergestellt wurde, kann niemand sagen. Tatsache ist, dass Milch leicht gerinnt und sich in Eiweissflocken, Fettsubstanz und flüssige Molke spaltet. Füllt man diese dickliche Masse in geflochtene Körbe oder durchlässige Töpfe und lässt die Molke abfliessen, so hat man bereits Sauermilchkäse. Von den Mongolen ist bekannt, dass sie die Töpfe nie reinigten, wobei durch Bakterienrückstände die Gerinnung angeregt wurde.

Wichtig für die weitere Entwicklung war die Erkenntnis, dass Milch durch Zusatz von Lab, einem Ferment, das im Labmagen von Saugkälbern entsteht, schneller gerinnt. Diese entscheidende Entdeckung soll ein Araber gemacht haben, der mit seiner Karawane durch die Wüste ritt. Er führte in einem getrockneten Schafmagen Milch mit, die zu seinem Erstaunen viel schneller als üblich gerann. Die alten Griechen meinten hingegen, dass Aristeus, der Sohn Apollos, die Käsekunst den Menschen vermittelt haben soll.

Verbessert und in den grossräumigen Handel gebracht wurde der Käse in der Blütezeit des Römischen Reiches. Nicht nur das: auch als Kosewort fand der Käse Verwendung. Der Komödiant Plautus (254 bis 189 v.Chr.) nannte seine Freundin «meus molliculus caseus», was soviel heisst wie «mein molliglicher Käse».

Die Käsereien in der Gemeinde Rain in den Zahlen des Jahres 1986.

Von den Römern wissen wir auch, dass sie bereits den «Schweizer Käse» seiner guten Qualität wegen lobten. Es ist anzunehmen, dass das Käsen durch die Helvetier in die Schweiz kam. Im frühen Mittelalter wurde dann die Kunst der Käseherstellung verfeinert, zugleich wurde neue Sorten entwickelt. Lange Zeit glaubte man, dass nur in den Bergen guter Schweizer Käse hergestellt werden könne. Doch die erste Talkäserei für Emmentaler, die 1815 in Kiesen BE gegründet wurde, widerlegte dieses Vorurteil. Nach dem Kiesener Vorbild entstanden im letztenJahrhundert hunderte von Käsereien im ganzen Mittelland.

Käsereien in Rain

Die heutigen Käsereigenossenschaften von Rain entstanden alle um die Jahrhundertwende. Die Verkehrswege waren schlecht und die Transportmittel primitiv. Deshalb errichtete man die Käsereien möglichst nahe bei den Produzenten. Dies ist auch der Grund, weshalb die relativ kleine Gemeinde Rain fünf Käsereien beherbergt. Früher gab es in Unterbuchen sogar eine sechste Käserei. Seit 1913 liefert die Käsereigenossenschaft Buchen ihre Milch an die SMG in Hochdorf. Kleinbetriebe eignen sich auch heute noch am besten für die Hartkäse-Herstellung. Deshalb müssen die Rainer Käsereien die Konkurrenz der Grossbetriebe nicht fürchten. Drei verschiedene Käsesorten werden heute in Rain hergestellt: Greyerzer, Sbrinz und Emmentaler.

Greyerzer

Im Jahre 1115 wurde der Greyerzer erstmals erwähnt. Er ist somit einer der ältesten Schweizer Exportkäse. Ein Laib wiegt ungefähr 35 Kilo und wird während 10 bis 12 Monaten im kühlen Keller gelagert. Während der Reifungsperiode wird die Rinde ständig feucht gehalten, was ihm ein spezielles Aroma verleiht. In Rain wird der Greyerzer in der Dorfkäserei hergestellt. Zusammen mit einem angestellten Käser und einem Lehrling fabriziert Käsermeister Louis Wiederkehr zwischen sieben und neun Laibe im Tag. Der grösste Teil wird an die Käsehandlung Lustenberger und Dürst, einem Mitglied der Käseunion, verkauft. Der Rest und die selbsthergestellte Käserei- und Süssrahmbutter sowie der eigene Schlagrahm bereichern die grosse Auswahl im Laden der Dorfkäserei. Vor 17 Jahren wurde die Käserei vom Kessel- auf den Wannenbetrieb umgestellt.

Emmentaler

Die Käserei Sandblatten stellt den sogenannten «König der Käse», den Emmentaler, her. Nach fünf Monaten ist er bereits konsumreif, hat aber noch ein mildes Aroma. Manche Feinschmecker bevorzugen deshalb den etwas länger gelagerten, sieben oder mehr Monate alten Emmentaler. Etwa um 1200 wurde der Emmentaler erstmals erwähnt. In der Käserei Sandblatten werden vom Käsermeister Pius Richli und seinem Lehrling durchschnittlich drei Emmentaler pro Tag hergestellt, von denen jeder etwa 95 Kilo wiegt. Im letzten Jahr wurde die Käserei neu eingerichtet und auf den modernsten Stand gebracht. Der Emmentaler, der nicht im eigenen Laden abgesetzt werden kann, geht an die Firma Gerber in Thun. Die überschüssige Nidel wird an die Butterzentrale verkauft.

Sbrinz

Der Sbrinz, wie der Emmentaler etwa um 1200 erstmals erwähnt, ist der eigentliche Zentralschweizer Käse. Dieser härteste unter den Hartkäsesorten – auch der «Herzog der Käse» genannt – bedarf einer Reifeperiode von zwei bis drei Jahren. Die drei Käsereien Sagen, Herbrig und Gundolingen fabrizieren Sbrinz. Sagen und Gundolingen beliefern Coop-Schweiz, während Herbrig seinen Käse an Lustenberger und Dürst verkauft.

In der Käserei Sagen stellt Fritz Vonarburg zusammen mit einem angestellten Käser und einem Lehrling pro Tag zwischen sechs bis acht Laibe Sbrinz her, von denen jeder etwa 40 Kilo wiegt. Die Käserei wurde letztmals vor 18 Jahren renoviert und besitzt als einzige von Rain noch keine Wendepresse. Wie die Käsereien Sandblatten und Gundolingen gibt Fritz Vonarburg den Rahm an die Butterzentrale ab.

Die Käserei Herbrig wird vom Max Käppeli geführt. Wie die übrigen Rainer Käser bildet auch er einen Lehrling aus. Durchschnittlich werden in der Käserei Herbrig täglich fünf Laibe Sbrinz produziert. Nebst Sbrinz stellt Max Käppeli auch Käsereibutter her, die er an seine Bauern und weitere Kunden, im Dorf verkauft.

Die Käserei Gundolingen ist die einzige private Käserei. Sie befindet sich also nicht im Besitze einer Genossenschaft. Käsermeister Hans Wicki fabriziert zusammen mit seinem Lehrling fünf bis sieben Laibe im Tag. 1985 wurden die Einrichtungen auf den neusten Stand der Technik gebracht.

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