«Schlimm wird es, wenn die schwarze Magie eingesetzt wird»: Aus dem Brattig-Beitrag von Hans Roth in der Ausgabe 2003, illustriert von Ludwig Suter. | © 2003 Seetaler Brattig

*Hans Roth, Rain

Mit den Terrorbriefen in den USA von 2001 ist Milzbrand (Anthrax) ins Rampenlicht gerückt. Diese Seuche existiert weltweit schon seit Menschengedenken, ist aber infolge wirksamer Bekämpfungs- und Behandlungsmöglichkeiten in den Industrieländern in Vergessenheit geraten. 1940 gab es in der Schweiz 127 Milzbrandfälle wovon 15 im Kanton Luzern.

«Glück i Stall»! Auch heute wird er noch praktiziert, dieser schöne traditionelle Gruss, den man beim Betreten eines Stalles dem Bauern wünscht. Glück und Unglück, zwei Dinge, die so oft nahe beieinander sind und die das Leben auf einem Bauernhof arg durcheinander bringen können. Ein Sprichwort besagt zwar, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, was aber meines Erachtens nur zum Teil stimmt. Trotz Fleiss, einem wachsamen Auge und bester Betreuung kann Unerwartetes und höchst Bedrohliches eintreten.In der heutigen Zeit sind die Bauern sehr bestrebt, sich weiterzubilden und mit neuen Methoden zu arbeiten, was ja letztendlich in vielen Belangen eine enorme Erleichterung in den bäuerlichen Alltag bringt. Dass man aber glaubt, mit Forschung, Technisierung und medizinischem Fortschritt alles im Griff zu haben, ist ein Trugschluss. Noch nie da gewesene Krankheiten wie Rinderwahnsinn (BSE), aber auch wiederkehrende, wie Maul- und Klauenseuche, sind Krankheiten, die uns gerade in der letzten Zeit gezeigt haben, was für verheerende Folgen sie für die Landwirte haben können. Wenn eine solche Pechsträhne einen Hof heimsucht, kann das einen Bauern nicht nur zur Verzweiflung bringen, sondern sogar seine Existenz gefährden. Ein solches Ereignis aus meiner Jugendzeit habe ich noch in bester Erinnerung.

Verdacht auf Milzbrand

Es war 1940, kurz vor der Mobilmachung. Der Vater war im Militärdienst und somit mussten mein Bruder und ich, zusammen mit unserer Mutter, die Arbeiten im Stall und auf dem Feld besorgen. Eines Morgens, als ich in den Stall kam um die Kühe zu melken, stellte ich erschreckt fest, dass ein Rind tot im Stroh lag. Schlagartig wurde mir bewusst, was für ein enormer Verlust das für uns bedeutet, nicht daran zu denken, wenn es nicht beim einen Rind bleiben würde.

Da wir die Ursache nicht kannten und uns nicht anders zu helfen wussten, holten wir den alten Kundenmetzger, der ganz in der Nähe wohnte. Mit nüchterner Entschlossenheit machte er sich an die Arbeit und schlitzte das aufgeblähte Tier auf. Das entstandene Gas konnte entweichen. Mit ernster Miene untersuchte er die Eingeweide und stellte fest, dass die Milz stark verändert war. «Vermutlich Milzbrand, da muss der Amtstierarzt her» meinte er lakonisch. Bevor wir uns nur einen Gedanken über das Woher und Wieso machen konnten, kamen strikte amtliche Anweisungen. Wir mussten die gleiche traurige Arbeit verrichten, wie dies beim letzten Seuchenzug in England 2001 der Fall war. Unter polizeilicher Aufsicht wurde ein Scheiterhaufen hergerichtet und das Tier verbrannt. Selbst die verbliebene Asche musste tief vergraben werden. Es folgte eine Untersuchung des ganzen Viehbestandes. Drei Kühe zeigten bereits Anzeichen von Milzbrand mit hohem Fieber. Der Tierarzt machte uns wenig Hoffnung, die Tiere durchzubringen. Die einzige Behandlungsmöglichkeit, die uns blieb, war ein fiebersenkendes Pulver, das wir in Wasser auflösen und den Kühen dreimal täglich einschütten mussten. Wahrlich eine unmögliche Arbeit für die Mutter und für uns Buben. Erst nach energischer Intervention durch Oberst Dr. vet. Bruno Hübscher, dem damaligen Amtstierarzt, bekam unser Vater Urlaub, was uns natürlich physisch und psychisch sehr entlastete. Es wurden zum Glück keine weiteren Tiere befallen. Die drei erkrankten Kühe überlebten, waren aber noch lange geschwächt. Ich war damals zu jung um zu begreifen, wie dieses Unglück meine Eltern getroffen hatte, denn es gab keinen Rappen Entschädigung, weder für das umgestandene Rind noch für den Ertragsausfall der erkrankten Kühe. Die Seuchenkasse war leer und zudem herrschte Krieg.Solch einschneidende Erlebnisse bleiben haften. Aber wie in der Natur, wenn nach dunklen Wolken und stürmischen Zeiten die Sonne wieder durchbricht und ihre Wärme doppelt wohl tut, hatten wir den Glauben an bessere Zeiten nie verloren. Die schönen Erinnerungen überwiegen bei weitem.

Noch 1822 litt der Kanton Luzern unter ausgedehnter Milzbrandverseuchung. Die meist tödlich verlaufene Seuche befiel vor allem das Rindvieh und war zudem als gefährliche Zoonose (Infektionskrankheit, die zwischen Mensch und Tier übertragbar ist) gefürchtet. Milzbrand wird durch den Bacillus anthracis, den Milzbrandbazillus, hervorgerufen. Er ist ein stäbchenförmiger Mikroorganismus, der sich durch die Fähigkeit auszeichnet, Sporen zu bilden. Diese sind gegenüber äusseren Einflüssen ausserordentlich widerstandsfähig und bleiben zum Beispiel im Boden, wo Kadaver von an Milzbrand gefallenen Tieren verscharrt wurden, jahrzehntelang lebensfähig. Als Folge davon wurden entsprechende Schutzmassnahmen angeordnet, wie Verbot des Blutentzugs bei verdächtigen Tieren und Verbot des Futterbaus auf verseuchten Grundstücken. Auch durften verseuchte Tierkörper nicht mehr vergraben werden, sondern mussten in Tierkörperbeseitigungsanlagen unschädlich entsorgt werden. Bereits vor 100 Jahren wurden gefährdete Tiere auch schutzgeimpft. Die Anzahl der Fälle ging allmählich zurück. 1958 war das erste seuchenfreie Jahr für den Kanton Luzern und 1979 für die ganze Schweiz.

Quellenangabe: Dr. med. vet. Franz Suppiger, Kantonstierarzt a. D., Luzern

Die weisse und schwarze Magie

Erdstrahlen oder Wasseradern sind nicht nur für Menschen ein Thema, sie können auch das Wohl der Tiere beeinflussen. Seriöse Abschirmer können dieses Übel an der Wurzel packen, leider aber ist dies auch für Scharlatane ein wahres Tummelfeld. Schon mancher Bauer liess sich für teures Geld einen Abschirmapparat aufschwätzen. Der Erfolg lässt aber öfters auf sich warten.

Ein weiteres nicht weniger bedeutendes Kapitel ist die Magie, die weisse wie die schwarze. Wer mit den Kräften der schwarzen Magie arbeitet, begibt sich in ein Gebiet, das er mit seinem Gewissen selbst in Ordnung bringen muss.Ich glaube an die magischen Kräfte, dazu zwei Beispiele. Vor einigen Jahren hatten wir eine Kuh, die während Tagen die Futteraufnahme verweigerte. Sie zeigte sich ganz apathisch und hatte auffällig matte Augen. Der Tierarzt stellte eine Kreislaufstörung fest und tat sein Möglichstes. Als sich nach einer Woche keine Besserung zeigte, ordnete er die Notschlachtung an, liess uns aber freie Hand, noch etwas anderes zu unternehmen. Ich kannte die Adresse eines Fernheilers und nahm mit diesem Kontakt auf. Als ich ihm den Fall geschildert hatte, wollte er Name und Standort der Kuh wissen. Wir alle waren gespannt. Dann geschah das Unglaubliche. Schon nach zwei Tagen begann die Kuh mit Wiederkäuen und nahm langsam wieder Futter zu sich. Sie erholte sich zusehends und brachte es auf eine zufriedenstellende Milchleistung.Schlimm wird es, wenn die schwarze Magie eingesetzt wird. Ein Priester aus einer Innerschweizer Gemeinde hat mir einmal Folgendes erzählt. Ein Bauer sei zu ihm gekommen und habe berichtet, wie jedes Mal, wenn ein Viehhändler aus der Nachbarschaft bei ihm im Stall war, «Ungfell» folgte. Der Viehhändler, so vermutete der Klagende, wolle ihm den Verleider machen, um so sein Land erwerben zu können. Darauf habe der Pfarrer dem geplagten Bauer geraten: «Lade den Viehhändler beim nächsten Besuch zu einem Trunk ein und schütte dem Getränk etwas Weihwasser zu.» Der Bauer tat, was ihm der Pfarrer geraten hatte. Als der Händler das Glas zu Munde geführt hatte, spuckte er alles wieder aus und brüllte: «Das kann ich nicht saufen!» Er verschwand umgehend und zeigte sich nie mehr. Der Teufel hasst bekanntlich das Weihwasser.

Segnungen, der besondere Schutz Gottes

Das christliche Landvolk vertraut aber noch auf andere Kräfte. Auf den Segen Gottes und die Hilfe der Heiligen. Es ist noch nicht lange her, als die Kapuziner, die in Pfarreien Aushilfe leisteten, einmal im Jahr auf Betteltour gingen und dabei Häuser und Ställe segneten. Nicht selten wurden sie auch von Familien anderer Konfessionen um eine Segnung gebeten. Das war für die Patres eine willkommene Abwechslung zum klösterlichen Alltag.

Trotz Priestermangels kommen auch heute Priester dem Wunsch nach, ein Haus oder einen Stall zu segnen, oft verbunden mit einem Feldgottesdienst. Nicht wegzudenken sind die immer gut besuchten Alpgottesdienste und der abendliche Alpsegen oder Betruf, bei dem man Gott und die heilige Gottesmutter bittet, einen goldenen Ring um die Alp zu legen. Die Pferdesegnung an den Auffahrtsumritten stellt Ross und Reiter unter den besonderen Schutz Gottes. All diese Segnungen sind ein Zeichen, dass es sich nicht bloss um fromme Tradition handelt, sondern dass das Volk grosses Gottvertrauen hat.

Die Bauernheiligen

Hilfe erhofft sich der Bauer auch vom heiligen Wendelin und von Antonius, dem Einsiedler. Wendelin, ein irischer Königssohn aus dem 6. Jahrhundert, zog ein Leben als Kuh- und Schweinehirt dem Königshofe vor. Schon zu Lebzeiten wirkte er Wunder. Das Landvolk holte bei ihm Trost und Rat, und die Schar der Verehrer wurde immer grösser. Auch im Seetal sind ihm Kapellen und Altäre geweiht. Früher gab es sogar noch Wendelinsbruderschaften und in Inwil gibt es ein Wendelinsgelöbnis, das hoch in Ehren gehalten wird.

Grosse Bedeutung hat die Verehrung des heiligen Antonius. Der reiche Bauernsohn aus Oberägypten verzichtete auf allen irdischen Reichtum und zog als Mönch in die Einsamkeit. Die Leute fanden jedoch seine Einsiedelei und pilgerten zu ihm. In seinem Leben spielten das Gebet und die Arbeit die zentrale Rolle. Er half den Leuten, die zu ihm kamen, mit Trost und Belehrung. In unserer Gegend sind der heilige «Wendel» und der «Sankt Antoni» nebst dem heiligen Bruder Klaus die meist verehrten Heiligen. Die vielen Feld- und Wegkreuze, an denen wir oft gedankenlos vorbeigehen, haben alle ihre Bedeutung und Geschichte. Der heilige Wendelin über den Stalltüren bezeugt das am eindrücklichsten. Vielleicht vertrauen auch wir in Zukunft wieder vermehrt der göttlichen Hilfe und der Fürbitte der Heiligen.

Hans Roth (1927-2018) war Landwirt und Förster und lebte mit seiner Familie Rain. Er hat von 1995 bis 2004 zehn Brattigbeiträge verfasst.

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