«S Sigiristen Hans» (Hans Müller-Glanzmann sel.) göpelt in Unteräsch. Deutlich sind das Stirnrad und die Transmissionsstangen zu sehen. Die Aufnahme stammt etwa von 1920. | © 1987 Seetaler Brattig

*Martin Bühlmann, Hochdorf

Wenn heute einer von einem Göpel spricht, dann meint er sicher ein älteres, vielleicht nicht mehr ganz verkehrstüchtiges Fahrzeug, ein Velo oder ein Auto. Wir wollen heute aber vom echten Göpel sprechen. Ältere Leute aus der Landwirtschaft können sich noch sehr gut daran erinnern. Wenn Du solche Leute fragst: «Könnt Ihr Euch noch an den Göpel erinnern?», dann huscht meist ein kleines, erstauntes, erinnerndes Lächeln über das Gesicht, und nach kurzer Pause kommt es dann hervor, etwa so: Das noch bestehende Göpelhüttli in Waldisbühl (Hohenrain).

«Ja, ja, der Göpel. Im Winter wurde er eingerichtet. Viele damals fortschrittliche Bauern hatten ein Göpelhüttli, die andern brachten ihn ins Freie. Er wurde in eine kleine ausgehobene Grube hineingelegt und mit Pflöcken befestigt. Von der Antriebsmaschine weg wurden die Antriebsstangen zur Dreschmaschine montiert.

Und nun konnte es losgehen. Zwei Pferde, es konnten auch Stiere oder Kühe sein, wurden eingespannt. Der Karrer sorgte dafür, dass die Tiere auch gleichmässig marschierten. Denn vorne an der neuen Dreschmaschine war man darauf angewiesen. Vom Stock hatte man die Getreidegarben heruntergeholt ins «Tern». Auf dem Dreschtisch löste der Drescher das Schaub- oder Garbenband und gab gleichmässig hämpfeliweise die Halme mit den Ähren in die Maschine, zusammen mit den vielen Wicken, Disteln, Mohn- und Kornblumen, dem Klee und den vielen andern Pflanzen, die ungewollt mit dem Getreide gewachsen waren. Zwei Walzen schlugen die Körner aus den Ähren. Aber im gedroschenen Stroh fanden Hühner, Spatzen und weiteres Geflügel noch reichlich Nahrung.

War nun der vorbereitete Haufen gedroschen, so musste das Stroh wieder zusammengebunden und versorgt werden. Der nächste Schub Garben wurde herangebracht.

Natürlich musste bei dieser staubigen Arbeit auch die Mostflasche die Runde machen. Während dieser Zeit konnten sich die Tiere ausruhen. Diese hatten sich seit der Aufnahme der Arbeit immer im gleichen Kreise bewegen müssen und mit dem Göpel die Kraft für die Dreschmaschine erzeugt. Bei geschickter Übersetzung und einem guten Drescher vorne an der Maschine konnten die Pferde in regelmässigem Tramp gehen.

Viele Göpel hatten in der Mitte einen Sitz. Von hier aus konnte der Chaari seine Befehle, falls nötig, erteilen. Es soll hin und wieder vorgekommen sein, dass der Fuhrmann ein Nickerchen
gemacht habe. So ging es, meist einen oder mehrere Tage, verteilt über den ganzen Winter.

Nebst dem Dreschen konnte der Göpel auch noch anderweitig eingesetzt werden. Vom Sammler musste ins Güllenloch umgepumpt werden, um die Jauche zu verdünnen. Oder das Futtergetreide wurde mittels Brechmaschine zerkleinert. Auch die Mosti wurde vielerorts mit dem Göpel betrieben, eine gewaltige Erleichterung gegenüber der vorher üblichen hunderprozentigen Handarbeit.

Wenn Du einen alten Landwirt fragst, etwa Josef Rast in Unterebersol oder seinen Namensvetter auf der Hinterzelg, oder den Urswiler Josef Grüter mit Jahrgang 1906, dann erfährst Du bald, dass der Göpel mit Einzug des Starkstroms sofort nicht mehr gefragt war. An der Erlosen, eben in der Hinterzelg, geschah dies anno 1938, während im Tal unten schon zu Ende des ersten Weltkrieges umgestellt wurde. Meist werden die Güllenpumpe und die elektrisch fahrbare (Kunden-)Dreschmaschine als die grössten Erleichterungen genannt.

In Einzelhöfen hielt sich aber der Göpel noch länger. Im «Gern» – zwischen Altwis und Mosen beispielsweise ¬ wurde bis zum zweiten Weltkrieg gegöpelt, dann ein Benzinmotor angeschafft. Erst 1951 kam dann der langersehnte Starkstrom.

Die Geschichte des Göpels ist kurz. Als grosse Errungenschaft fand er erst nach 1860 grossen Aufschwung in ganz Europa. In einem Prospekt von 1894 erwähnt der Maschinenfabrikant Heinrich Lanz in Mannheim, aus seiner Fabrik seien bereits 37’000 solcher Göpel hervorgegangen; sie dürften deshalb in allen Teilen als durchaus erprobt, solid und leicht gehend empfohlen werden. Lanz bot über ein Dutzend verschiedene Modelle an: offene, Glockengöpel, Göpel für ein, zwei, drei oder vier Pferde, mit 55 bis 100 Umdrehungen.

Nach der Elektrifizierung wurden die Göpel eingeschmolzen. Alteisen war rar. Da und dort sind noch einzelne Bestandteile vorhanden, etwa Transmissionsstangen. Auf der Suche nach einer Göpel-Photo im ganzen Seetal fand ich nur eine in Unteräsch. «Wir hatten halt damals noch keinen Photoapparat» oder «Wir mussten hart arbeiten, Zeit zum Photographieren fanden wir nicht» hörte ich etwa sagen. In Hochdorf hat sich eine Schar von privaten Interessierten zur Freizeitarbeit gemacht, wieder einen Göpel instandzustellen und bald auch einmal der Bevölkerung vorzuführen. Vom Alteisenhändler konnte ein altes Exemplar erworben werden, von verschiedenen Bauern kamen zusätzlich Stangen, Winkelgetriebe und Vorgelege.

Das Rad der Zeit und des Göpels lassen sich nicht zurückdrehen. Aber wieder einmal kurz erleben, wie unsere älteren Bauern kutschieren mussten, tut sicher manchem gut, der im Alltag die Hilfen des modernen Maschinenparks in Anspruch nehmen darf.

*Martin Bühlmann kam 1943 in Sempach auf die Welt und besuchte dort die Primarschule. Schwerenöter im Schreiben. Maximalnote 4. 1973 bis 2007 Logopäde in Hochdorf. Ist mit der Brattig seit 1980 auf dem Weg. Mitbegründer und selbsternannter Professor der Volksuniversität St.Peter und St.Paul Nunwil (kursiv) für Deutsche Kurrentschrift.

Facebook
WhatsApp
Email