Die «Heidegg» ist eines von 14 Erwerbs-Weingütern im Seetal. | © Seetaler Brattig

*Beat Felder, Sursee

Wer sich bei Weinen aus der Zentralschweiz wenig auskennt, weiss zumindest eines: Im Seetal wird die Rebe seit jeher angebaut. Es waren die Römer, die den Weinbau ins Tal brachten, die Klöster entwickelten ihn weiter. Die Blütezeit muss um 1800 gewesen sein. Doch die kleine Eiszeit, die eingeschleppten Rebkrankheiten und die Reblaus setzten dem Weinbau mächtig zu, genauso wie die harte Konkurrenz aus dem Süden: Schon früh brachten Säumer auf Maultieren lombardischen Rotwein über den Gotthardpass. Mit dem Gotthardtunnel und der Ankunft der Eisenbahn war das Schicksal des heimischen Weinbaus endgültig besiegelt: Er verschwand von der Bildfläche.

Eine Pioniertat

Im Seetal, genau auf Schloss Heidegg, begann der Neuanfang. Idealisten wie der damalige Kantonsrat Erwin Muff oder der erste Rebmeister Josef Zemp brachten den Willen und die Kraft auf, dem Weinbau zu einer unerwarteten Renaissance verhelfen. Was der Kanton 1952 schaffte, entspricht einer Pioniertat. Die Bepflanzung des Rebbergs unterhalb des Schlosses Heidegg setzte einiges in Bewegung.

Bis gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts passierte noch wenig. Gesuche zur Pflanzung in Aesch (Klosterhof) und Gelfingen (Kaiserspan) lehnte der Bund in erster Instanz gar ab. Erst in den letzten 20 Jahren ging der Boom so richtig los, die Fläche verdoppelte sich zweimal. Die Gründe sind in den deutlich verbesserten Klimabedingungen und dem starken Trend hin zu regionalen Spezialitäten zu finden. Möglich wurde die Anlage neuer Rebberge in grösserem Stil ab 1999. Seit dann ist nicht mehr der Bund für die Bewilligung von Neuanlagen zuständig, sondern der Kanton.

Globale Erwärmung bringt Vorteile

Die sanften Hügel des Seetals mit den durchlässigen Moräneböden und der Milde der beiden Seen bieten ideale Bedingungen für Weinbau. Es ist für diese Pflanze wie geschaffen. Die steigende Qualität der Schweizer Weine kommt dem Seetal entgegen. Der Genuss lokaler Produkte wurde zum Megatrend. Die Weine werden vorwiegend auf dem lokalen Markt abgesetzt, im Bereich der Gastronomie im ganzen Kantonsgebiet oder darüber hinaus. Jeweils am ersten Samstag im September stehen die Seetaler zusammen und zeigen im Kulturzentrum Braui in Hochdorf am «Seetaler Wysamschtig» ihre Gewächse. Unter www.luzerner-weine.ch kann ein attraktiver Weinführer für die Zentralschweiz mit Porträts aller Weinproduzenten heruntergeladen werden. Zudem sind die Weinanlässe der verschiedenen Betriebe sichtbar.

Die jährlichen Niederschläge von 1200 Millimeter in Eschenbach bis 1000 Millimeter in Aesch werden durch die zunehmende globale Erwärmung zu einem Vorteil. Der Wassermangel wird in den besten Weinregionen Europas indessen zu einem begrenzenden Faktor. Das sind auch fehlende kalte Nächte während der Reife. Nicht so um Seetal. Die Weine gelten als typische «Cool-Climate-Typen»: frisch, knackig, saftig und herrlich fruchtig. Was bei den Weissen im Trend liegt, wird bei den Roten noch kommen. Immer mehr Leute haben die mastigen, süssen und überladenen Weine satt.

Ein weiterer Vorzug ist die Professionalität und der hohe Ausbildungsstand der Winzer. Ihre Innovationskraft steht diesem nicht nach. Der Rebbau konnte ganz nach den Vorstellungen des jeweiligen Produzenten und nach neusten Erkenntnissen angelegt wurden. Man konnte von den Erfahrungen anderer Regionen profitieren. Freude macht die da und dort nun anstehende nächste Generation von Winzern.

Kraftvolle Weine

Luzern ist mit über 60 Hektaren zu einem bedeutenden Weinbaukanton herangewachsen. In der bereits 1995 geschaffenen kantonalen Verordnung für Weine mit kontrollierter Ursprungsbezeichnung (AOC Luzern) – ein Verschnitt ist nicht mehr möglich – sind der Vierwaldstättersee, das Wiggertal und der Sempachersee als weitere Weiregionen definiert. Die meisten Reben gedeihen nach wie vor im Seetal. Das Terroir bringt die kraftvollsten Weine hervor. Die 30 Hektaren Reben werden von 14 Winzern bewirtschaftet, drei von ihnen vinifizieren selber, die anderen lassen den Wein im Lohn keltern und verkaufen ihn unter eigener Etikette. Rote und weisse Sorten teilen sich je zur Hälfte auf. Die Klassiker Blauburgunder und Riesling-Silvaner beanspruchen die eine Hälfte der Fläche, auf der anderen herrscht eine Vielfalt von über 40 Sorten, darunter immer mehr auch Pilzresistente Neuzüchtungen wie Solaris und Johanniter.

Die Seetaler Weinberge und Erwerbswinzer

  • Birg-Rebacher, Aenny Leisibach, Aesch
  • Brunner Weinmanufaktur, Cristina und Mathias Brunner, Hitzkirch
  • Johanniter Kommende, BBZN, Walter Gut und Josef Estermann, Hohenrain
  • Herrenberg, Nina Zwick und Adrian Hofer, Ermensee
  • Kleinwanger, Rebbau Gebrüder Ottiger, Rothenburg
  • Oberebersol, Doris und Thomas Roth, Hohenrain
  • Rebbaugesellschaft Hitzkirch, Margrith und Bertram Kaufmann, Hitzkirch
  • Rebberg Mühlihalde Hohenrain, Rafael Schacher, Hochdorf
  • Stierlihof, Erika und Franz Fassbind, Hitzkirch
  • Südhang, Heidi und Josef Bucher, Eschenbach
  • Weinbaugenossenschaft Saffergarten, Pius Egli und Alfred Elmiger, Altwis
  • Weingut Heidegg, Peter Schuler, Gelfingen
  • Weingut Kaiserspan, Edith Mächler und Andreas Bachmann, Hitzkirch
  • Weingut Klosterhof, Verena und Kurt Huwiler, Aesch

*Beat Felder (geboren 1960), wuchs in Ruswil und Hellbühl auf und lebt in Sursee. Der Ing. FH ist passionierter Weinkenner und seit 30 Jahren Rebbaukommissär der Kantone LU, NW, OW, UR und ZG. Am Berufsbildungszentrums Natur und Ernährung (BBZN) Hohenrain ist er als Lehrer und Berater für Spezialkulturen zuständig. Daneben pflegt er in Sursee den Rebberg Mariazell mit mehrfach prämierten Weinen. Es ist Vater von zwei Söhnen. Für seine kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Verdienste für die Stadt ist er aktuell mit dem Titel «Mensch Sursee» ausgezeichnet.

Facebook
WhatsApp
Email