Das Schloss Ludigen, wie es sich heute noch zeigt. Brattig-Illustrator hat es für die Ausgabe 2013 eingerahmt. | © 2013 Seetaler Brattig

*Hermann Büttiker, Römerswil

Auf der Erlosen, nördlich des Dorfes Römerswil, auf 755 Metern über Meer, etwas abgerückt von der Strasse nach Herlisberg steht das Schlösschen Ludigen, es thront dort, ist das am höchsten gelegene Schloss im Kanton Luzern und erhebt sich 100 Meter höher als die Burgruine Nünegg in Lieli auf der anderen Talseite. Der auffällige, würfelförmige Bau mit abgewalmtem Dach beschliesst den dreigeschossigen Baukörper. Der Zahn der Zeit hat an der Fassade etwas genagt. Tauchen wir ein in die Geschichte dieses (fast) vergessenen Schlosses.

Ludigen, eine ursprünglich alemannische Siedlung

Der Weiler Ludigen weist mehrere Häusergruppen auf. Die Siedlung gehört zu den frühen alemannischen Orten und ist eine Gründung des Alemannen Ludo oder Luido und seiner Sippe. Ludigen wird mit vielen anderen Orten des Seetals erstmals in der Urkunde Kaiser Heinrichs III. von 1045 erwähnt, in der er das Stift Beromünster und dessen Güter unter seinen Schutz stellt, so auch das Gut Ludigen. Es ist eine Schenkung der Grafen von Lenzburg an das von ihnen gegründete Stift. Graf Ulrich von Lenzburg hatte 1036 das Territorium des Stifts vergrössert. Mit einer Urkunde von 1173 bestätigt Kaiser Friedrich I., Barbarossa, dass Ludigen mit Zins und Gerichten dem Stift Beromünster gehöre.

Vogtei von Beromünster

Ludigen wird in der spätmittelalterlichen Geschichte des Stifts Beromünster öfters erwähnt. 1314 übergab Stiftspropst Jakob von Rinach Zinsen von Ludigen für die Jahrzeit des verstorbenen Chorherrn Ulrich von Arburg. 1322 wird die Vogtei und Gerichtsbarkeit über Ludigen als Besitz des Stifts genannt. 1415 wird in der «Geschichte der alten Pfarrei Hochdorf» der Stiftsschenk Andreas Vend als Vogt im Twing Ludigen erwähnt. 1443 amtet Stiftsweibel Johann Ulrich von Arburg als Vogt. Der Propst ernannte jeweils aus den Stiftsbeamten einen Vogt.

Aus einem Vergleich im Jahre 1459 zwischen Propst Niklaus von Gundelfingen und dem Amt Rothenburg, zu welchem Ludigen gehörte, geht hervor, dass der Propst alle seine Rechte über Ludigen behielt. Ihm standen die niedere Gerichtsbarkeit und der Zehnte zu, während der Vogt von Rothenburg die Gerichtsbarkeit ausübte. Unter Propst Schumacher (1558-1570) betrug der Zehnte 7 bis 8 Malter (1 Malter ca. 250 Liter) Hofmäss (Getreide). Stroh, Heu und Emd wurden dem Hofbesitzer überlassen. Dagegen gaben die Hofleute «Werch-, Räben- und Obstzehnt und ein Fasnachtshuhn». Beim Tod des Inhabers des Hofes und einer Neuübernahme musste an den Propst eine bestimmte Geldsumme bezahlt werden (Fall und Erschbatz). Überhaupt besass das Stift bis 1798 weltliche und kirchliche Rechte in einer ausserordentlichen Fülle und galt als eine der reichsten geistlichen Herrschaften auf eidgenössischem Territorium. Es besass in diesem territorial geschlossenen Gebiet neben seiner dominanten Stellung als Grundherr auch das Niedergericht, also Twing und Bann. Über die inkorporierten Pfarreien war es der alleinige Zehntherr. Der Propst übte neben polizeilichen und militärischen Funktionen auch die hohe Gerichtsbarkeit aus und teilte diese Aufgabe und die Einkünfte mit dem städtischen Landvogt. Die Zinsabrechnung aus dem Jahre 1771 gibt einen Einblick.

Kirchlich gehörte Ludigen zur alten Pfarrei Hochdorf. Beim Untergang des Ancien Regime 1798 verlor das Stift seine Rechte in Ludigen. Der kleine Twing wurde vorübergehend Exklave der Gemeinde Beromünster, dann ordnete man ihn der Gemeinde Berghof und 1838 bei deren Aufteilung der Gemeinde Römerswil zu.

Chorherr Kaspar zur Gilgen

Chorherr Kaspar zur Gilgen (1655–1710) stammte aus dem bedeutenden Luzerner Patriziergeschlecht. Er war der Sohn von Aurelian zur Gilgen, der zahlreiche Ämter für den Stand Luzern bekleidete als Kleinrat, Hauptmann in der Schlacht von Villmergen 1656, Ratsrichter, Vogt zu Sargans, im Entlebuch, in den Freien Ämtern, Rat des Bischofs zu Basel, Schultheiss 1686. Das bekannte Haus mit dem Turm bei der Luzerner Seebrücke wurde 1510 von Melchior zur Gilgen an der Stelle eines abgebrannten Turmes erbaut. Kaspar zur Gilgen durfte dank seiner noblen Herkunft auf einträgliche Chorherrenpfründe hoffen. Er war 1671 Wartner am Stift, 1681 Chorherr und zugleich Pfarrer von Büron. 1706 wurde er Custos am Stift. Er war Ritter des Mauritius- und Lazarusordens.

Bau des Schlosses

Am 11. Dezember 1698 erwarb Kaspar zur Gilgen den Hof zu Ludigen von Ulrich Baumgartner. Das Gut bestand aus verschiedenen Teilen: dem vorderen Hof mit zwei Behausungen unter einem Dach sowie Scheune und Mühle, einem weiteren Haus und Heim, Kraut- und Baumgärten sowie einer grösseren Anzahl an Matten, Weiden, Äckern und Wäldern. Der Kaufvertrag besagt auch, dass der Hof «der Propstei Münster fehlig und ehrschetzig» sei und entsprechende Abgaben zu entrichten seien. Von einem Schloss oder Steinhaus war nicht die Rede. Es scheint ein sehr grosser Hof gewesen zu sein, was vermuten lässt, dass es der ganze unter dem Stift Twing Ludigen war.

Am 21. März 1701 verordnete Kaspar zur Gilgen, dass der Hof nach seinem Tod samt einer behaglichen Behausung, die in der Art eines Herrenhauses aus selber erwirtschafteten Mitteln noch zu erbauen sei, dem Bruder Hans Jakob zur Gilgen zufallen und dann in direkter Linie auf den ältesten Sohn vererbt werden soll. Es handelt sich hier um einen Fideikommiss.

Propst und Kapitel des Stiftes hatten Bedenken gegen diesen Fideikommiss, weil der Hof in ihrem Zwing und Bann und allen Gerichten gelegen sei. In der Folge wandelte Kaspar zur Gilgen den geplanten Fideikommiss in ein Stipendium von 16’000 Gulden um. Im Testament vom 27. September 1710 vermacht Kaspar zur Gilgen den Hof um 13’000 Gulden seinem Bruder Benedikt. Dieser starb jedoch am 22. November des gleichen Jahres und Kaspar drei Wochen später.

Das Schloss Ludigen muss von Kaspar zur Gilgen zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaut worden sein. So bestimmte er in seinem Testament vom 27. Februar 1710: «Die verding welche ich gemacht für das neuwe huuss, sterbe ich ohne es ausgemacht, sollen aus dem unverteilten bezahlt werden.» Demzufolge hat die Bauabrechnung 1710 noch nicht vorgelegen.

Ein Herrschaftshaus

Der Überlieferung nach besass der dreigeschossige, würfelförmige, drei Achsen breite und zwei Achsen tiefe Bau einen Erker oder Treppenturm, der jedoch vor Langem abgetragen wurde. Im ersten Obergeschoss liegt die Wohnstube mit einer einfachen Felderhecke und einem klassizistischen Ofen auf kantigen Balusterfüssen. Die Jahreszahl 1860 und Initialen auf der Ofenplatte erinnern an den damaligen Besitzer Ludwig Brunner und den Maurermeister und Steinmetzen Josef Häller. Im zweiten Obergeschoss blieb ein heute unterteilter Festsaal erhalten.

Die Decke als eine Arbeit eines Tessiner Meisters zeigt einen einfachen Mittelrahmen und als Eckstücke je zwei durch ein Band zusammengehaltene, naturalistische Lorbeerzweige. Bei der Restauration 1968 wurde in der grossen Küche die originale Balkendecke freigelegt und eine Rauchhurd erneuert. Das Schloss, im Besitze der Familie zur Gilgen, soll als Sommerresidenz für Erholung und Vergnügen, Feste und Jagd gedient haben.

Vom Patrizierhaus zum profanen Bauernhaus

Wie in der Teilungsurkunde ersichtlich, wurde der Hof Ludigen mitsamt dem Schloss von Kaspar Ignaz zur Gilgen (1694–1752) aus der Hinterlassenschaft von Kaspars Bruder Hans Jakob zur Gilgen (1658–1712) übernommen. Kaspar Ignaz war ebenfalls Chorherr in Beromünster. Nach dessen Tod kam die Liegenschaft an Christoph Lorenz zur Gilgen (1705–1765), Chorherr und Kämmerer zu St. Leodegar in Luzern, Bruder von Kaspar Ignaz. 1765 gelangte sie an einen weiteren Bruder, Benedikt Franz Xaver zur Gilgen (1710–1782). Er war Vogt zu Ebikon, Knutwil und Wikon. Dann muss der Hof an Bauern verkauft worden sein.

Im Jahre 1860 war die Liegenschaft, wie oben bereits erwähnt, im Besitz von Ludwig Brunner (1814–1895). Am 11. Juli 1900 erwarb Balthasar Brunner (1867–1940) den Hof durch Auskaufbrief. 1926 erwirbt Melchior Brunner (1862–1941) die Liegenschaft. 1941 ging sie durch Kauf in die Hände von Josef B. Brunner (1903–1996) über. 1967 gehörte die Liegenschaft für kurze Zeit dem Staat Luzern, der sie als Realersatz zum Landabtausch im Zusammenhang mit dem Nationalstrassenbau 1967 an Bernhard Buholzer verkaufte. 1968 kam sie in den Besitz von Gertrud Amberg-Buholzer und 1985 durch Erbgang der Erbengemeinschaft Amberg-Buholzer. 1993 wurde das Schloss-Grundstück vom Landwirtschaftshof abparzelliert mit einer Fläche von 24 a 73 m2. Heute bewohnt die Familie Eggstein-Amberg das Schloss.

*Hermann Büttiker (1936–2014) stammte aus Pfaffnau, war Polizist in Hochdorf und ab 1. Juli Amtstatthalter (heute: Staatsanwalt) daselbst bis zu seiner Pensionierung 2001. Hermann Büttiker war viele Jahre auch sonst in der Öffentlichkeit tätig. Politisch in der CVP, als Korrespondent für das «Vaterland» und andere Zeitungen, als Zentralpräsident des damaligen Schweizerischen Katholischen Turn- und Sportvereins (SKTSV, heute Sport Union Schweiz). Er lebte mit seiner Familie erst in Hochdorf, später in Römerswil.

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