Das Château de Reinach in Hirtzbach im französischen Departement Haut-Rhin im Elsass in der Nähe von Basel. | © 2019 Mirjam Weiss-Gast

*Mirjam Weiss-Gast, Schopfheim

Das im Elsass steht noch in voller Pracht, von der im Seetal sind nur noch Mauerreste vorhanden: Was das «Château de Reinach» im französischen Hirtzbach in der Nähe von Altkirch und die Burgruine Oberreinach in der Gemeinde Römerswil verbindet, ist nicht nur der Name, sondern auch der gleiche Besitzer. Beide gehören der Erbengemeinschaft von Baron Maurice de Reinach-Hirtzbach.

Wer aber waren die Herren von Reinach, die die Burg Oberreinach einst erbauten? Und welche Beziehung haben ihre Nachfahren zur Burgruine?

«Wurzeln unserer Familie»

Antoine de Reinach ist einer der vier Brüder der Erbengemeinschaft. «Die Burg Oberreinach wurde von einem unserer Vorfahren erbaut, vermutlich im 13. Jahrhundert», erzählt er am Telefon. Es sei die einzige Ruine der ursprünglich drei Stammburgen der Ritter von Reinach, welche die Jahrhunderte überlebt habe. «Dort liegen die Wurzeln unserer Familie.» Das zeige sich nicht zuletzt im Wappen der Gemeinde Reinach im nahen Aargau: Der rote Löwe mit dem blauen Kopf ziert auch das Familienwappen der Familie von Reinach. Trotz Schweizer Wurzeln seien seine Brüder und er aber französische Staatsangehörige, und aus seiner Familie habe nie jemand in der Nähe der Ruine Oberreinach gewohnt, sagt Antoine de Reinach. Er besuche die Ruine aber von Zeit zu Zeit.

Baron kam zum Znüni vorbei

Um den Unterhalt der Ruine und des Grundstücks, auf dem sie steht, kümmert sich Jakob Wüest. Der Landwirt aus Herlisberg hat das gut 130 Aren grosse Stück Land gepachtet – wie schon sein Vater vor ihm. «Das Land ist schwierig zu bewirtschaften, weil es auf allen Seiten steil abfällt», sagt Jakob Wüest, «wir nutzen die Wiese unterhalb der Burgmauer deshalb als Ökowiese.» Die Burgruine steht auf einem Sandsteinfelsen auf etwa 700 Metern Höhe am Osthang der Erlosen. Von der Burgmauer an der Ostseite hat man einen herrlichen Ausblick auf den Baldeggersee, auf der Westseite fällt das Grundstück steil in ein bewaldetes Bachtobel ab. Mitten durch die Parzelle verläuft die Grenze zwischen den beiden ehemals eigenständigen Gemeinden Retschwil und Herlisberg (heute Hitzkirch und Römerswil).
Jakob Wüest sorgt als Pächter auch dafür, dass die Burgmauern nicht von Stauden und Unkraut überwuchert werden. Die Ruine sei ein beliebter Aussichtspunkt für Spaziergänger, Velofahrer oder Schulklassen, sagt Jakob Wüest.

Die Beziehung zur Familie von Reinach empfindet er als angenehm. «Trotz ihrer adligen Abstammung sind es bescheidene Leute.» Die Verständigung mit den vier Brüdern, von denen einige ein bisschen Deutsch sprechen oder zumindest verstehen, sei kein Problem. Baron Maurice de Reinach, der Vater der vier Brüder, habe sogar sehr gut Deutsch gesprochen, erinnert sich Jakob Wüest. «Er besuchte die Ruine Oberreinach jedes Jahr. Meist kam er zum Znüni oder zum Zobig vorbei. Er mochte sehr gern Käse.»

Adliger Besuch in Schlachtkapelle

Bei einem der Besuche des Barons auf der Ruine Oberreinach war auch Marc Glotz mit dabei. Der Vizepräsident der Historischen Gesellschaft des Sundgaus hat sich intensiv mit dieser südlichen Region des Elsasses beschäftigt, wo sich die Familie von Reinach im 16. Jahrhundert angesiedelt hatte, und wurde ein enger Freund der Familie. Baron Maurice de Reinach (1911–1994), der Vater der vier Brüder, war laut Glotz von 1981 bis 1993 Präsident der Historischen Gesellschaft. 1991 habe er ihm die Burgruine gezeigt, erzählt er und schwärmt: «Es ist ein herrlicher Ort.» Beim damaligen Besuch der Ruine habe eine Ordensschwester zu Maurice de Reinach, den sie nicht kannte, gesagt, diese Ruine sei sicher von grossem Wert. Daraufhin habe der Baron geantwortet: «Von grossem sentimentalem Wert.»

Im Anschluss hätten der Baron und er noch die Schlachtkapelle in Sempach besichtigt – ein geschichtsträchtiger Ort für die Familie von Reinach. «1986 hat Maurice de Reinach an der 600-Jahrfeier der Schlacht bei Sempach teilgenommen», erzählt Marc Glotz, «denn seine Vorfahren, die Ritter von Reinach, haben während der Sempacher Schlacht 1385/86 auf Seiten der Habsburger gegen die Eidgenossen gekämpft und unterlagen.» In der Folge seien die drei Stammburgen der Ritter von Reinach, die Untere Reinach (oder Alte Reinach) in der Gemeinde Burg (AG), die Hintere Reinach in der Gemeinde Rickenbach (LU) und die Obere Reinach in der Gemeinde Römerswil, von den Eidgenossen zerstört worden.

Chorherren am Stift Beromünster

«Die Ritter von Reinach waren eine der bekanntesten und bedeutendsten Familien des niederen Adels im alten Aargau», schreibt Josef Bühlmann (Ballwil, 1925 – 2005) in seinem Artikel «Die Burgruine Oberrinach in Herlisberg», der 1988 im «Seetaler Boten» publiziert wurde. Bühlmann stützt sich darin auf Aussagen des Aargauer Historikers Walther Merz, der 1889 einen Aufsatz über die «Ritter von Rinach» veröffentlichte. Diese dienten wohl zunächst den Grafen von Lenzburg, später den Kyburgern und Habsburgern. Der Name der Familie wird um 1210 mit den Rittern Arnold und Hesso erstmals urkundlich erwähnt. Hesso von Reinach gilt als Stammvater der Linie der von Reinach, die auf der Burg Oberreinach lebte. Möglicherweise handelt es sich dabei um den bekannten Minnesänger Hesso von Reinach.

Wann genau die Burg Oberreinach erbaut wurde, ist bis heute nicht abschliessend geklärt. Sie taucht aber im Jahr 1302 in einer Urkunde des Stifts Beromünster zum ersten Mal auf. Gemäss dieser Urkunde mussten die Besitzer der Burg dem Stift Beromünster jährlich ein Pfund Wachs als Zins entrichten, so Josef Bühlmann. Offenbar stand die Burg auf altem Gebiet des Stifts, das die Lenzburger Beromünster geschenkt hatten. Gemäss Marco Hostettler, der für die «Heimatkunde aus dem Seetal» 2017 einen archäologischen Artikel über die Burg Oberreinach verfasst hat, hatten mehrere Mitglieder der Familie von Reinach am Stift Beromünster Chorherrenpfründe inne.

Nach der Zerstörung ihrer drei Stammburgen in der Schlacht bei Sempach und der Eroberung des Aargaus durch die Berner im 15. Jahrhundert zogen einige Mitglieder der Familie von Reinach ins Elsass um. Ihre Herrschaften in den heutigen Kantonen Aargau und Luzern habe die Familie von Reinach im Verlauf des 16. Jahrhunderts verkauft und sich später im französischen Adel etabliert, schreibt Marco Hostettler. Die Linien von Reinach-Hirtzbach und von Reinach-Werth bestehen bis heute.

Legendärer Schatz nicht gefunden

Im 19. Jahrhundert kaufte die Familie von Reinach-Hirtzbach die Burgruine Oberreinach zurück. «Das war zu der Zeit in vielen adligen Familien üblich», weiss Marc Glotz, Experte der Geschichte der Familie von Reinach. «Es ging den Familien darum, das Erbe ihrer Vorfahren zu schützen.»

Charles de Reinach, der die Ruine 1849 erworben hatte, liess hier 1853 eine erste Ausgrabung durchführen. Dabei wurden unter anderem Ofenkacheln, ein Schlüssel, eine Lanzenspitze und eine Knieschiene von einem Harnisch gefunden, so Marco Hostettler. Vom sagenhaften Schatz der Herren von Reinach, welcher der Legende nach auf dem Gelände der Burgruine liegen soll, fand sich keine Spur. Die Aussicht auf den Schatz war allerdings Anreiz für zahlreiche Hobby-Forscher, auf dem Gelände der Burgruine Oberreinach zu graben.

Vorfahr ruht bei Kantonsarchäologie

Zwischen 1853 und 1991 fanden auf der Burgruine Oberreinach mehrere offizielle Ausgrabungen und Restaurierungen statt. Mauern wurden freigelegt, und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine Aussichtsplattform errichtet, die bis 1942 bestand.

Eine grosse Grabung wurde 1940 unter der Leitung von Reinhold Bosch, dem damaligen Präsidenten der Historischen Vereinigung Seetal und späteren Kantonsarchäologen des Aargaus, durchgeführt. Da wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs keine Arbeitslosen zur Verfügung standen, organisierte Bosch für die Ausgrabung eine Gruppe Soldaten aus dem Elsass, die den Baron von Reinach teilweise persönlich kannten. Wie bereits 1853 wurden unter anderem Ofenkacheln und Eisengegenstände gefunden.

Unter der Leitung der Kantonsarchäologie Luzern wurde 1985 und 1991 aufgrund von Konservierungsarbeiten an der Ruine noch einmal auf der Oberreinach gegraben. «Die Ruine Oberreinach ist eine der wenigen Burgruinen im Kanton Luzern, die untersucht und ausgegraben wurde», sagt Fabian Küng, Archäologe bei der Luzerner Kantonsarchäologie. Faszinierend findet er ausserdem, dass die Ruine noch der Gründerfamilie gehört. «Das ist sehr selten.» Im Depot der Luzerner Kantonsarchäologie befinden sich diverse Fundstücke, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden – nicht nur gegenständliche, sondern auch menschliche: Im Depot ruhen nämlich auch die sterblichen Überreste Ulrich des V. von Reinach, der bei der Schlacht von Sempach ums Leben kam. Sein Skelett wurde 1990 während der Sanierungsarbeiten an der Kapelle St.Margrethen in Nottwil, der einstigen Reinacher Grabkapelle, geborgen.

Luzerner Châlet in Schlosspark

Das aktuelle «Château de Reinach» (Schloss Reinach) im elsässischen Hirtzbach bei Altkirch war zunächst nur ein grosses Haus und wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts von François de Reinach-Hirtzbach erweitert. Infolge der französischen Revolution von 1789 und später während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) wurde das Schloss stark beschädigt und musste restauriert werden. Es befindet sich heute im Privatbesitz der Erbengemeinschaft von Baron Maurice de Reinach-Hirtzbach und ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die Parkanlage, in der sich das Schloss befindet, kann dagegen besichtigt werden. Sie umfasst einen im 19. Jahrhundert angelegten englischen Garten und mehrere Gebäude, darunter das letzte Eishaus des Sundgaus, wo das Eis gelagert wurde, das sich im Winter auf den Teichen bildete, sowie ein Châlet aus dem Kanton Luzern, das als Grummetspeicher diente.

Quellen:

*Mirjam Weiss-Gast (geboren 1985) ist in Hitzkirch aufgewachsen. Sie hat in Lausanne Geschichte, Germanistik und Französisch studiert; Abschluss als Master of Arts. Neben und nach dem Studium von 2004 bis 2014 freie Mitarbeiterin der «Neuen Luzerner Zeitung». Sie ist verheiratet, hat zwei Töchter und lebt mit ihrer Familie in Schopfheim (D), nicht weit von Basel.

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