So stellte sich Illustrator Ludwig Suter die einstmalige Käserei in Hitzkirch vor. | © 2022 Seetaler Brattig

*Josef Strebel, Düdingen

Die Geschichte der Käserei Hitzkirch beginnt im damaligen Lehrerseminar. Dort – im Keller – wurde Ende des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal in Hitzkirch professionell Käse hergestellt. Später verlegte man die Käserei in ein Ökonomiegebäude der Liegenschaft von Kaspar Wapf von Neudorf, der 1840 den Landwirtschaftsbetrieb der ehemaligen Deutschritterkommende gekauft hatte. Er wohnte mit seiner Familie bis 1868 in der Kommende, dann wurde dort das kantonale Lehrerseminar eingerichtet.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts machte sich das Bedürfnis nach einem eigenen Gebäude geltend. Am 16. Mai 1897 beschlossen 18 Bauern aus Hitzkirch und Bleulikon den Bau einer Käserei. Jakob Scherrer, der mit Kaspar Wapf’s Tochter verheiratet war, verkaufte den Bauern das notwendige Bauland an der ehemaligen Kantonsstrasse. Der Preis pro Quadratmeter betrug 45 Rappen. Mein Grossvater Martin Strebel-Geisseler erhielt am 29. Oktober 1912 die Gelegenheit, mit der Käsereigenossenschaft Hitzkirch den Milchvertrag abzuschliessen.

Enge Freundschaft mit Nationalrat

Martin Strebel stammte aus dem Freiamt. Er wurde 1882 in Rottenschwil als Sohn eines Käsers geboren. Geltwil war sein erster Wirkungsort, dort heiratete er Elise Geisseler (1882 bis 1965) vom Schürhof. Nachdem sein Vater 1904 in Buttwil einen Milchkaufvertrag abgeschlossen hatte, wurde Martin dort zunächst Lohnkäser und übernahm kurz darauf als Milchkäufer das Geschäft selber. Nach Zwischenstopps in Geltwil (1906) und Hämikon (1910) zog Martin Strebel 1912 nach Hitzkirch.

Präsident der Käsereigenossenschaft war damals Felix Wili-Widmer, Bleulikon (1852 bis 1914), Kassier war Nationalrat Franz Moser-Schär (1872 bis 1935). Von 1913 bis 1929 übernahm Franz Moser das Präsidium der Genossenschaft.

Martin Strebel und Franz Moser-Schär verband eine enge Freundschaft. Beide haben dem damals noch sehr bäuerlich geprägten Seminardorf Hitzkirch ihren Stempel aufgedrückt. Martin Strebel war immer streng darauf bedacht, dass die Milchlieferanten im Stall beste Ordnung hielten und alles unternahmen, um qualitätsvolle Milch zu liefern. Franz Moser, Mitglied verschiedener regionaler und schweizerischer bäuerlicher Institutionen, war
in Hitzkirch Gemeindeammann, Gemeindepräsident und Gründer der Obstverwertungsgenossenschaft.

Goldene Uhr zum 25-Jahr-Jubiläum

Als Martin Strebel 25 Jahre lang Milchkäufer in Hitzkirch war, lud die Käsereigenossenschaft zu einer Feier ins Gasthaus Kreuz ein. Anwesend waren die ganze Familie Strebel, fast alle Milchlieferanten, Käsehändler Oberst Peter Bürki aus Luzern und der Direktor der Butterzentrale Luzern, Alfred Winiger. Der Jubilar erhielt als Geschenk eine goldene Uhr im Wert von 300 Franken. Der Präsident der Käsereigenossenschaft würdigte Martins Verdienste und erinnerte unter anderem daran, dass der Jubilar 1933 die Anschaffung einer Dampfanlage zur Modernisierung des Betriebes angeregt hatte.

Im Verlauf des Abends kam die Rede auch auf den jüngsten der drei Söhne des Jubilars, meinen Vater Josef Strebel-Stadelmann, welcher der Käserei in Gelfingen vorstand und der «punkto Qualitätsfabrikation seinem Vater nicht nachstehe.» Den Milchlieferanten der Käsereigenossenschaft Hitzkirch war zu jenem Zeitpunkt nicht entgangen, dass es um die Gesundheit ihres Milchkäufers nicht zum Besten stand. Und sie mochten hoffen, dass der Sohn in absehbarer Zeit ein tüchtiger Nachfolger seines Vaters werden könnte.

Bei Brand in Käserei verletzt

Die Folgen zweier Unglücksfälle machten Martin Strebels Gesundheit tatsächlich zu schaffen. Noch in seiner Hämikoner Zeit erlitt er bei der Explosion eines Benzinfasses schwerste Verbrennungen. Der «Hochdorfer Anzeiger», ein Vorgänger des «Seetaler Boten», berichtete am 8. Juli 1911: «In der Käserei Hämikon ist ein Unfall passiert, der leicht noch schlimmere Folgen hätte nach sich ziehen können. Herr Käser Strebel wollte im Keller zur Speisung des Motors mit einem blechernen Geschirr Benzin holen und muss wahrscheinlich mit dem Licht etwas zu nahegekommen sein, der Benzin fing Feuer, das Gefäss explodierte unter starkem Knall, so dass Fenster und Kellertüre vollständig in Trümmer gingen. Die Kleider Strebels fingen Feuer, er stürzte hinaus zum Brunnen, wälzte sich im Gras und konnte auf diese Weise das Feuer ersticken. Allerdings erlitt er sehr starke Brandwunden an Brust, Kopf und Armen, immerhin sollen dieselben aber nicht lebensgefährlich sein. Der im Entstehen begriffene Brand konnte von der herbeigerufenen Feuerwehr gelöscht werden.»

Beim erwähnten Motor handelte es sich um einen mit Benzin betriebenen Motor, der für die Käsefabrikation benötigt wurde.

Der zweite Unfall geschah auf der Heimkehr von der Jagd. Martin war ein begeisterter Jäger. Ein Jagdkamerad hatte seine Flinte nicht genügend gesichert, eine Ladung Schrot löste sich und traf Martins Bein. Wochenlang musste er im Kantonsspital Aarau gepflegt werden. Da nicht alle Schrotteile entfernt werden konnten, blieben jene für Martins Gesundheit zeitlebens ein Störfaktor.

Am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Das Eidgenössische Kriegsernährungsamt dispensierte Martin Strebel und einen seiner Angestellten vom Militärdienst. Martin war damals bereits nicht mehr arbeitsfähig und verstarb kurz darauf. Im Protokollbuch der Käsereigenossenschaft heisst es: «September 17., in der Morgenfrühe des heutigen Tages kam die Kunde, dass unser Käser Herr Martin Strebel gestorben sei. Im November 1912 kaufte er die Milch zum 1. Mal, wo er bald als tüchtiger Meister anerkannt wurde. Volle 29 Jahre arbeiteten Käser und Milchlieferanten gegenseitig zum Wohle und Nutzen unserer Genossenschaft. Am 19. September wurde die sterbliche Hülle unter einem grossen Trauergeleit zu Grabe getragen. Ein Berg voll Kränzen bedeckte die kühle Gruft.» Die «Schweizerische Milchzeitung» schrieb: «Martin Strebel war ein Käser von Format; er hielt auf stramme Ordnung nicht nur in den Betrieben, sondern auch bei seinen Milchlieferanten.»

Professor kam extra aus Zürich

Nach seinem Tod übernahm Elise Strebel-Geisseler die Verantwortung für den Käsereibetrieb. Unterstützt wurde sie dabei von ihrem Sohn Josef in Gelfingen. Dieser war dort seit 1936 Meisterkäser und seit 1939 Milchkäufer. 1944 wurde er alleiniger Milchkäufer in Hitzkirch.

Josef Strebel hatte als Käser einen ausgezeichneten Ruf. Mehr als 20 Lehrlinge legten bei ihm ihre Lehrlingsprüfung, acht Angestellte sogar die Meisterprüfung ab. Edzard Zollikofer (1906 bis 1986), Professor für Milchwirtschaft an der ETH Zürich, kam jeweils mit seinen Studenten nach Hitzkirch, um ihnen dort eine anschauliche Demonstration für Käsefabrikation zu bieten.

1968 verzichtete Josef Strebel auf den weiteren Milchkauf. Die Verantwortung der Familie Strebel in der Käserei Hitzkirch ging damit nach 56 Jahren zu Ende. 1968 wurde Josef Bühler-Wermelinger Milchkäufer. Als er 1988 ganz unerwartet starb, beschloss die Käsereigegenossenschaft, ihre Milch in die Käserei von Hämikon zu liefern. 2004 wurde die Käsereigenossenschaft Luzerner Seetal mit rund 41 Milchlieferanten aus Hämikon, Hitzkirch, Gelfingen, Aesch, Sulz und Hohenrain gegründet. Die Käsefabrikation findet seitdem nur noch in Hämikon statt.

*Josef Strebel wurde 1940 in Gelfingen geboren und wuchs in Hitzkirch auf. Dr. phil der Universität Freiburg, ehemaliger Lehrer an der Kantonsschule Collège St-Michel in Freiburg, wohnhaft in Düdingen FR.

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