Bilder der Brände der Sticher-Scheune (1932, unten) und der Muff-Scheune (1933) illustrierten Hermann Büttikers Beitrag in der Brattig 2004. | © Seetaler Brattig

*Hermann Büttiker

Es war in den Jahren 1932 und 1933. Den Leuten im Seetal und anderswo ging es allgemein nicht gut. Es herrschten wirtschaftlich schlechte Zeiten. Die Preise lagen darnieder. Viele Leute waren arbeitslos. Vorbei war die «Belle Epoque» von Hochdorf, als die neu angesiedelte Industrie blühte, ein Schauspielhaus 1300 Zuschauerplätze in Plüschsesseln anbot, im Casino die Roulette- und Billardkugeln rollten und die Gemeinde Hochdorf 4000 Einwohner zählte. 1932 waren es weniger als 3000. Das Schauspielhaus wurde als Lagerhaus umgebaut und dient seither der Landwirtschaftlichen Genossenschaft als Geschäftssitz.

Am 3. März 1932 geht das ehemalige Prestigeobjekt von Hochdorf in Flammen auf, ohne dass etwas hätte gerettet werden können. Es war der Beginn einer unheimlichen Brandserie.

Am Sonntag, 13. März 1932, also zehn Tage später, stürmte eine Frau während des Gottesdienstes die steile Treppe zur Kirche hinauf und rief ausser Atem ins Kirchenschiff: «Es brennt, es brennt, die Scheune brennt!» Es war die Scheune des Landwirts Josef Sticher, Mühle, die lichterloh brannte. Sie konnte nicht mehr gerettet werden. Die 27 Kühe und 5 Pferde jedoch entgingen dem Flammentod.

Und nur 12 Tage später, am Karfreitag, 25. März, ertönten wieder die Feuerhörner im Seetal. Die Scheune des Alois Scherer, Landwirt und Betreibungsbeamter in Huwil, Gemeinde Römerswil, brannte. Das Vieh konnte gerettet werden. Die Scheune aber wurde ein Raub der Flammen. Auf dem Brandplatz erschienen die Feuerwehren von Hochdorf, Urswil, Baldegg, Römerswil, Kleinwangen, Ottenhusen, Heumoos, Gelfingen, Hitzkirch und Ermensee.

Aufgebrachte Bevölkerung und erfolglose Fahndung nach dem Brandstifter

Noch in der gleichen Nacht, um etwa 23.40 Uhr, brach im Dorf Römerswil in der Scheune von Josef Estermann Feuer aus. Auch diese leer stehende Scheune brannte gänzlich nieder.

«Montag (Ostermontag, 28. März 1932) morgens 5 Uhr ist in Hohenrain, Unterhilti, das Haus mit angebauter Scheune des Landwirts Xaver Meier total abgebrannt. Neun Stück Grossvieh konnten gerettet werden, zwei Kälber, zwei Mutterschweine und eine Anzahl Hühner blieben in den Flammen. Auch ist der grösste Teil vom Haus- und Scheuneninventar verbrannt. Von Spritzen mit Feuerwehrmannschaften sind diejenigen von Hohenrain, Hochdorf und Urswil auf dem Brandplatz erschienen. Versicherung besteht. Als Brandursache liegt offenbar auch in diesem Falle wieder böswillige Brandstiftung vor» (soweit die Polizeinachricht). Dieser Brandfall machte die Familie in kürzester Zeit bettelarm. «Durch Fleiss und Arbeitsamkeit hat sich Xaver Meier ein kleines Vermögen zusammengespart, um eine Familie zu gründen und sich ein kleines Landgütchen zu erwerben. Mit einem Schlage hat nun die gute Familie Meier-Köpfli am Ostermontag alles verloren. Das Leben und einige Kleiderstücke konnten gerettet werden, alles Andere wurde ein Raub der Flammen. Wer auf der Brandstätte erschien, dem musste der Anblick der lieben Kindlein, die spärlich in einige Decken gehüllt unter einem Baume lagen und weinten, so recht ans Herz gehen», so hiess es in einem Spendenaufruf des «Seethaler Bote» vom 31. März 1932.

Diese fünf Brandfälle in kurzer Folge, alles vermutete Brandstiftungen, beunruhigten die Bevölkerung in höchstem Masse.

So schrieb das «Luzerner Tagblatt»: «…Dass sich die Bevölkerung in einer furchtbaren Aufregung befindet, ist erklärlich. Überall in Hochdorf wird Nachtwache gehalten. Was Hochdorf und seine nächste Umgebung seit drei bis vier Jahren an Aufregungen hatte durchmachen müssen, mahnt direkt zum Aufsehen. Zuerst drei Morde: Der ältere Mann Weber, Sattler, von Ebersol, im Oktober 1929 die Tochter Philomena Waller und ein Jahr später der Jüngling Emmenegger. Letzten Sommer vier Einbrüche: In der Haushalt AG, Landwirtschaftlichen Genossenschaft, Restaurant Sommerhaus und Station Ballwil; diesen Monat die fünf Brandfälle. Glücklicherweise soll die kantonale Polizeileitung energisch eingegriffen haben. Hoffen wir, dass es ihr gelingt, die Sicherheit wieder herzustellen und Beruhigung in die Bevölkerung zu bringen…»

Im «Vaterland» war zu lesen: «…Dass planmässige Brandstiftung vorliegt, darüber wird man heute kaum mehr diskutieren wollen. Die Bevölkerung ist in grosser Aufregung und man wird es ihr nicht verargen, wenn sie findet, man sei nun allgemach auf dem Punkte angelangt, wo die berühmte Gemütlichkeit aufhört. Man frägt sich, weshalb denn immer noch keine Prämie ausgeschrieben wurde für die Entdeckung der Täterschaft, weshalb nicht eine durchgreifende Kontrolle der Aufenthalter (auch der Übernächtler) durchgeführt werde unter Berücksichtigung des Vorstrafenregisters, weshalb bis zur Stunde die Feuerwehrleute nicht verhört wurden über ihre Beobachtungen und weshalb sonstige Augenzeugen nicht öffentlich aufgefordert wurden, sich zu melden. Auch sollte das Publikum öffentlich instruiert werden, wie es selber einen Bewachungsdienst organisieren kann. Man ruft auch nach einer schematischen Kontrolle aller Zuschauer auf dem Brandplatze und Verhaftung aller, welche unbekannt oder sonst wie verdächtig sind…» Es folgen noch weitere Empfehlungen an die Polizei und die Untersuchungsbehörde.

Drakonische Massnahmen

Während des Sommers 1932 war etwas Ruhe eingekehrt. Doch die Brandserie ging weiter. Am 5. Oktober brannte es bei Weber in Baldegg, und am 22. November wurde die der Schweizerischen Milchgesellschaft AG gehörende und von Bucher Konrad gepachtete Scheune eingeäschert. Am 26. November brannte es bei der Familie Rebsamen in Reckenbrunnen. Das nächste Ziel war die Scheune des Peter Muff bei der Kirche, welche am 7. Januar 1933 in Flammen aufging. Beim Feuerwehreinsatz verunglückte der 32-jährige Elektriker Fritz Blaser beim Einsturz eines Elektromastens. Er starb an den Folgen seiner Verletzungen. Am 5. Februar war die Reihe an der Scheune von Johann Scherer an der Urswilstrasse.

Nach diesem Brand wurden nun energische Massnahmen vorgeschlagen. Im «Seethaler Bote», Ausgabe vom 10. Februar 1933, stand: «Vier Wochen nach dem Brand im Oberdorf hatten wir am letzten Sonntag wieder einen am Südausgange desselben. Wie das tägliche Brot gibt es bei uns anfangs den monatlichen Brand. Immer wieder, wenn die Leute etwas sorgloser werden, bricht wieder so ein Wochenendbrand los. Wenn sich die Scheunenbesitzer dazu aufraffen wollten (vielleicht mit Hilfe der Feuerwehr) eine unauffällige, aber systematische Bewachung durchzuführen, müsste die Täterschaft eruiert werden können. Schon im Dunkeln im Innern der Scheune postiert, ohne Licht, ohne Tabak und ohne Geplauder, die elektrische Taschenlampe in der einen und den geladenen Revolver in der andern Hand, je zwei oder drei, wie bei einem Unteroffiziersposten, einander beim Wachen an Ort und Stelle ablösen, während die übrigen schlafen: Da müsste es denn doch merkwürdig zugehen, wenn schliesslich nach vier bis fünf Wochen die Täter nicht ins Garn laufen würden. Solche Vorkehrungen müssen aber nicht an die grosse Glocke gehängt werden…»

Solche Wachen wurden auch tatsächlich gehalten. «Hie und da kann man vereinzelte Schüsse hören. Letzthin soll sogar ein Detektiv gezwungen gewesen sein, vor Schüssen, die auf ihn als vermeintlichen Verdächtigem abgegeben wurden, eiligst zu flüchten. Es wäre in dieser Hinsicht vielleicht ratsam, mit Schiessen nicht allzu voreilig zu sein», schilderte der «Seethaler Bote». Auf dem Brandplatz bei der Scheune Scherer in Huwil soll ein Beamter der kantonalen Brandversicherungsanstalt (heute Gebäudeversicherung) verhaftet worden sein. Er sei erst wieder freigelassen worden, als ihn der Hausbesitzer Scherer legitimiert hatte.

Die Brandserie riss trotz aller Massnahmen nicht ab. Am 22. November 1933, genau ein Jahr nach dem Brand der Scheune Bucher, brannte die grosse Scheune von Landwirt Stocker im Dorfzentrum von Hochdorf bis auf die Grundmauern ab. Dies war ein ganz besonders spektakulärer Brand. Insgesamt 18 Brandfälle in den Jahren 1932 bis 1933 wurden von der kantonalen Brandversicherungsanstalt registriert und entschädigt. Zudem waren da und dort zahlreiche Brandstiftungsversuche festgestellt worden. Alle diese Straftaten dürften auf das Konto des gleichen Täters gehen. Doch ermittelt und ins Recht gefasst wurde der Brandstifter nie.

*Hermann Büttiker (1936–2014) stammte aus Pfaffnau, war Polizist in Hochdorf und ab 1. Juli Amtstatthalter (heute: Staatsanwalt) daselbst bis zu seiner Pensionierung 2001. Hermann Büttiker war viele Jahre auch sonst in der Öffentlichkeit tätig. Politisch in der CVP, als Korrespondent für das «Vaterland» und andere Zeitungen, als Zentralpräsident des damaligen Schweizerischen Katholischen Turn- und Sportvereins (SKTSV, heute Sport Union Schweiz). Er lebte mit seiner Familie erst in Hochdorf, später in Römerswil.

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